Brief 17 veröffentlicht am 16 August 2011

Ist das Ende des langen holländischen Winters in Sicht?

1966: Gerade hatte das 2. Vatikanische Konzil seine Tore geschlossen. Die holländische Bischofskonferenz gab einen „Nieuwe Katechismus“ heraus, einen „neuen Katechismus“, der heftige Reaktionen in Rom hervorrief. Tatsächlich haben sich die Bischöfe der Niederlande unter dem Einfluss der progressistischsten Theologen, der flämische Dominikaner Edward Schillebeeckx eingeschlossen, in keiner Weise zurückgehalten. Keine Erwähnung der Jungfräulichkeit Mariens oder der Realpräsenz Christi in der Eucharistie; Zweifel an der Erbsünde und der Existenz von Engeln: dies waren einige der Neuheiten in diesem Buch, die bald auf alle neuen Katechismen Europas abfärben sollten.

Fünfundvierzig Jahre nach dieser Großtat scheint für die Kirche in Holland das Ende der langen modernistischen Krise in Sicht zu sein. Man muss wissen, dass die Situation katastrophal ist. Im Dezember 2009 erschien im „Avvenire“, dem Presseorgan der italienischen Bischofskonferenz, ein Artikel mit dem Titel „Was blieb übrig von Weihnachten in Amsterdam?“ Dessen Autor zeigte auf, dass „nur sieben Prozent der Katholiken die Sonntagsmesse besuchen“, und dass seit dem Ende der 60-iger Jahre die Zahl der ordinierten Priester ständig gesunken ist. Die Diözese Breda hatte lediglich drei Ordinationen, während Dutzende von Priestern ihr Amt aufgaben. Und das, obwohl bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts Holland ein fruchtbarer Boden für den Katholizismus gewesen war. Er hat Hunderte von Missionaren hervorgebracht, insbesondere Schüler des heiligen Damian von Molokai wie den seligen Eustáquio Van Lieshout, der von Papst Benedikt XVI. im Juni 2006 selig gesprochen wurde.

Indem sie die Rolle der „Anführer eines abenteuerlichen Progressismus“ spielten, haben die holländischen Bischöfe die lokale Kirche an den Rand des Abgrundes manövriert. Aber es beginnen einige zaghafte Zeichen für eine Erneuerung aufzutauchen, besonders im liturgischen Bereich. Davon soll in diesem Brief die Rede sein.


I-Die liturgische Situation

Was die gewöhnliche Liturgie betrifft, zeigt Holland eine uneinheitliche Situation. Auf der einen Seite haben Missbräuche und Skandale nicht aufgehört – man denke nur an die „orange Messe“ eines Priesters während der letzten Fußballweltmeisterschaft, der Fan der holländischen Nationalmannschaft war. Auf der anderen Seite ist die durchschnittliche Qualität der Zelebrationen „normgemäß“; es existiert sogar eine starke Strömung, die Messe Pauls VI. auf Lateinisch zu feiern.

Die traditionelle Liturgie ihrerseits ist unglücklicherweise im Stillstand begriffen –wenigstens aus statistischer Sicht. Tatsächlich brachte das Motu Proprio Summorum Pontificum nicht mehr als eine einzige wöchentliche Sonntagsfeier im ganzen Land. Wie im Jahr 2007 hat Holland nur zwei diözesane Sonntagsmessen: eine in Amsterdam in der Pfarrei St. Agnes, die von der Priesterbruderschaft St. Petrus seit 2006 betreut wird; die andere in Utrecht in der Kirche St. Willibrord, aber zu einer ungünstigen Zeit, nämlich um 17.30 Uhr.

Von den neunzehn in der „außerordentlichen Form“ im Königreich gefeierten Messen bieten nur zehn die Zelebration in voller Einheit mit Rom. Zwei davon finden jeden Sonntag statt, vier an jeweils einem Sonntag im Monat und vier jede Woche an einem Werktag. Von den restlichen neun Messorten bietet einer nur gelegentliche Zelebrationen, zwei sind Apostolate der Priesterbruderschaft St. Pius, die restlichen sechs gehören einer Sedisvakantistengruppe, die ihre beständige Präsenz dem zehnjährigen Leiden verdanken, das die holländischen Katholiken in der Zeit von 1965-1975 erdulden mussten.

Ein aktueller Schimmer der Hoffnung und des Wiederauflebens kommt aus den Seminaren. Neben dem Tiltenberg-Seminar der Diözese Haarlem-Amsterdam bietet das s'Hertogenbosch-Seminar ebenfalls die praktische Einführung in das Zelebrieren der außerordentlichen Form des römischen Ritus. Am Sint Janscentrum (das Seminar von s'Hertogenbosch), dessen Rektor dem Motu proprio wohlwollend gegenüberzustehen scheint, wurde der deutsche Kanoniker Gero Weishaupt beauftragt, die außerordentliche Form dreimal wöchentlich zu feiern und den Seminaristen steht es frei, sich ihm anzuschließen. Anzumerken ist aber, dass laut dem Bericht der Ecclesia Dei Delft-Gesellschaft der Internationalen Una Voce Föderation von 2010 die Treue des Rektors zu der Lehre des Heiligen Vaters ihm eine Menge Druck eingebracht hat mit dem Ziel, den Einfluss der außerordentlichen Form unter den Seminaristen der anderen Diözesen des Landes zu verhindern.

Obwohl man sicher noch nicht von einer holländischen Erneuerung sprechen kann, machte Jack Oostveen, der Präsident von Ecclesia Dei Delft, eine vielversprechende Beobachtung: Seit 2007 haben über 30 Diözesanpriester die Zelebration der außerordentlichen Form gelernt. 30 von 800 aktiven Diözesanpriestern, verglichen mit lediglich zwei Pfarreien von 1400, die die außerordentliche Form jeden Sonntag anbieten: Dies ist eine gesunde Fortschrittsquote. Diese Quote ist umso bedeutender, als sowohl in Frankreich wie in Italien oder in den USA mehr und mehr diözesane Seminaristen erwägen, ihr priesterliches Leben „in utroque usu" zu verwirklichen.

Einen Beweis für das Interesse an der außerordentlichen Form unter den zukünftigen Priestern gab es jüngst während eines von der Diözese s'Hertogenbosch veranstalteten liturgischen Seminars. Pater Bunschoten, ein dynamischer Förderer der außerordentlichen Form im Tiltenberg-Seminar, bekam zu diesem Anlass Unterstützung von der Erzdiözese Utrecht und weiterhin von der Erzdiözese s'Hertogenbosch. Er hofft, dass dieses Ereignis den Grundstock für langfristige priesterliche Freundschaften zwischen Priestern und zukünftigen Priestern legen wird, die der außerordentlichen Liturgie verbunden sind.


II-Kommentare von Paix Liturgique

1)Die Niederlande sind das Paradebeispiel für die Verwüstungen des Modernismus. Sie müssen jetzt aus der spirituellen Wüste herausfinden, in die sie versunken sind. Ihre Bischöfe sind machtlos, den Kurs zu begradigen, da sie mit Hierarchien konfrontiert sind –sei es auf diözesaner Ebene oder der Ebene der Pfarreien, kirchlicher oder weltlicher Struktur- die immer noch trunken sind von Säkularismus und Ideologien. Und doch zeigen die holländischen Prälaten mit ihren Worten und auch mit ihren Taten –zum Beispiel die Publikation des Missale von 1962 durch den Nationalen Liturgischen Rat bereits im Oktober 2007 (geradezu undenkbar in einem Land wie Frankreich)- eine große Nähe zu den Versöhnungsbemühungen von Papst Benedikt XVI. Leider hat kein holländischer Bischof, auch kein Weihbischof, seit dem Motu proprio Summorum Pontificum die außerordentliche Form zelebriert oder zumindest öffentlich besucht.

Jack Ostveen erklärt das mit der Angst der Prälaten vor den Reaktionen ihres modernistischen Flügels. Dieser modernistische Flügel, ehemalig repräsentiert von der aus dem Protest gegen den Besuch Papst Johannes Pauls II. im Jahr 1985 entstandenen „Bewegung 8. Mai“, hat keinerlei Scheu, die Bischöfe bei der Durchsetzung ihres Willens unter Druck zu setzen. Dies wurde bei der „orangen“ Messe demonstriert, wo der schuldige Priester, nachdem er von seinem Bischof für eine Weile entfernt worden war, auf Druck von Seiten der Gläubigen wieder eingesetzt wurde- all dies von der Presse wohlwollend berichtet. Man muss wissen, dass die Pfarreien die Diözesen finanzieren, und wenn ein Priester oder der Pfarrgemeinderat unzufrieden sind, ist das erste, was sie tun, ihre Zahlungen an die Diözese zu stoppen…

2)Der holländische Episkopat, der nach Jack Ostveen von seinem progressiven Flügel „als Geisel“ genommen wurde, weigert sich zurzeit in Erwägung zu ziehen, dass die Umsetzung des Motu proprio Summorum Pontificum einen Ausweg aus dieser Situation bieten könnte.

Denn die dynamischen Ecclesia Dei-Institute könnten angesichts des Priestermangels (900 verfügbare Priester für 1400 Pfarreien) zur Hilfe kommen, und die Wiederentdeckung der traditionellen „lex orandi“ könnte mit Sicherheit die Erneuerung der „lex credendi“ unterstützen.

In dieser Hinsicht ist die Arbeit der beiden Priester der Petrusbruderschaft in Amsterdam, Pater Knudsen und Pater Komorowski, beispielhaft. Seit vier Jahren erfüllten sie ihre Mission in St. Agnes, der örtlichen Pfarrei, wo sie sonntags 120 Gläubige und 20 zur Werktagsmesse versammeln. Außerdem füllen sie auch die zweitrangigen Messorte, wo sie abwechselnd ihren Dienst tun. Darüber hinaus stehen sie für Anfragen von Priestern zur Verfügung, die das Missale von 1962 und seine Rubriken entdecken wollen.

Vorerst hatten sie natürlich noch nicht die Freude, Bischof Punt von Haarlem-Amsterdam oder einen seiner Mitbrüder in der St. Agnes-Kirche begrüßen zu können. Und so war der Zelebrant der Firmung am 10. April dieses Jahres Bischof Kozon von Kopenhagen. Abe es ist sehr wahrscheinlich, dass die Situation sich in den nächsten Monaten verändern wird. Am 17. September dieses Jahres, dem 5. Jahrestag der Rückkehr der traditionellen Liturgie in St. Agnes, hat Pater Knudsen Kardinal Burke eingeladen, der das Pontifikalamt feiern wird. Man darf berechtigterweise annehmen, dass die Ankunft eines Kardinals aus Rom einige holländische Prälaten dazu bringen wird, sich von dem Druck zu befreien, der sie bisher paralysiert hat. Ganz zu schweigen davon, dass am selben Tag Kardinal Burke auf Wunsch der holländischen Zeitung „Catholica“ eine Rede mit dem Titel „Summorum Pontificum und die Kirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil“ halten wird.

Wollen wir hoffen, dass dieser Besuch den Katholiken und dem Klerus in den Niederlanden Mut machen wird, ihren Glauben mit der Wiederentdeckung der Schätze der traditionellen Liturgie zu leben.

(*) Ausdruck aus dem Osservatore Romano vom 28. Dezember 2009