Brief 11 veröffentlicht am 7 Dezember 2010

Interview mit S. Exz. Bischof Athanasius Schneider (3)

Die Reform der Reform, die durch den Heiligen Vater gefördert wird, ist ein Werk, das langsam voranschreitet, da es bisher an der notwendigen Unterstützung der bischöflichen Hierarchie gefehlt hat. Trotz dem Abwarten der Mehrheit der Prälaten, haben einige jedoch beschlossen, sich mit Begeisterung und Gehorsam, um die Förderung der neuen liturgischen Bewegung zu engagieren, die von Benedikt XVI. gewünscht wird.

Wir freuen uns, hier ein Interview mit einem von ihnen zu veröffentlichen: S. Exz. Bischof Athanasius Schneider, Weihbischof von Karaganda in Kasachstan und Autor von "Dominus Est – Es ist der Herr - Gedanken eines Bischofs aus Zentralasien über die heilige Kommunion“, erschienen 2008 im SJM-Verlag.

Wir haben ihn zu folgenden Themen befragt:
I. Kommunion
II. Die gegenseitige Bereicherung der zwei Formen des Römischen Ritus
III. Orientalische Sicht in Fragen der traditionellen Gabenbereitung, der Priesterausbildung und der Inkulturation


III. DIE ORIENTALISCHE SICHT IN FRAGEN DER TRADITIONELLEN GABENBEREITUNG, DER PRIESTERAUSBILDUNG UND DER INKULTURATION

8) Im September 2001 erklärte Papst Johannes Paul II. in einer Botschaft an das Plenum der Kongregation für den Gottesdienst: „Im Missale Romanum von Papst Pius V. wie in verschiedenen östlichen Liturgien gibt es sehr schöne Gebete, mit denen der Priester den tiefsten Sinn der Demut und Ehrfurcht vor den heiligen Mysterien ausdrückt. Sie offenbaren die eigentliche Substanz aller Liturgie.“ Können wir annehmen, daß das tridentinische Offertorium eines dieser Gebete ist? Oder sollten wir viel mehr der Ansicht sein, daß sein Verschwinden einer der positiven Punkte der Liturgiereform ist, wie es noch viele Anhänger Bugninis behaupten und wie es S. Exz. Bischof Raffin in einem Beitrag für das Buch „Untersuchung über den Geist der Liturgie“ (herausgegeben von „L’Homme Nouveau“ im Jahr 2003) erklärte: „Ich bin über das Verschwinden der Offertoriums-Gebete glücklich und in der Lage, deren bunt zusammen gewürfelten Charakter aufzuzeigen.“ ?

AS: In der gesamten Geschichte der römischen Liturgie, aber auch in den östlichen Liturgien, war das Offertorium immer mit dem auf Golgotha vollzogenen Opfer verbunden. Es handelte sich nicht um die Zubereitung eines Mahls, sondern um die Vorbereitung des eucharistischen Opfers, das in den Empfang der eucharistischen Kommunion mündet. Man könnte das traditionelle Offertorium eine „symbolische Vorwegnahme“ der Konsekration nennen.

Das Offertorium ist das Echo aller Opfer des Alten Testaments, seit den großen „Offertorien“ Melchisedeks und Abels. Im Lichten der Heilsgeschichte sehen wir ein kontinuierliches Fortschreiten bis zum Opfer von Golgotha. Diese biblische Sicht allein rechtfertigt voll und ganz das traditionelle Offertorium, ohne auf die östlichen Riten hinzuweisen, die noch in viel ausdrücklicher und feierlicherer Weise das Geheimnis des Kreuzes in den Offertoriumsriten liturgisch vorwegnehmen.

Wie Augustinus erklärte: „Das Neue Testament ist im Alten Testament verborgen", könnten auch wir sagen, daß die Konsekration im Offertorium verborgen ist.

Das traditionelle Offertorium scheint mir alles andere als zusammengewürfelt. Ich würde im Gegenteil sagen, daß es ein reines Produkt der biblischen Logik ist, aus der Sicht der Heilsgeschichte.


9) Denken Sie nicht, daß es Zeit ist, für eine bessere Praxis der Liturgie, die Ausbildung in den Seminaren zu überprüfen? Wir könnten vor allem erwähnen, daß in Frankreich die lateinische Sprache praktisch kaum mehr unterrichtet wird, obwohl sie noch immer die heilige Sprache der Kirche ist, und auch die Feier der ordentlichen Liturgie wird oftmals der persönliche Inspiration überlassen. Wir sprechen nicht einmal von der Möglichkeit, die traditionelle Liturgie zu entdecken, was den Seminaristen sozusagen nie angeboten wird. Ohne Sie zu bitten, zu beurteilen, was in Frankreich geschieht, können Sie uns sagen, Exzellenz, wie das im Seminar in Karaganda, dem einzigen katholischen Priesterseminar in Zentralasien, praktiziert wird?

AS: Der Zustand des Lateinunterrichts in den Seminaren der ganzen Welt, nicht nur in Frankreich, ist besorgniserregend! Es ist eine Tatsache, daß das nicht nur gegen den Willen der Kirche und des Heiligen Vaters ist, sondern auch gegen denjenigen des II. Vatikanischen Konzils. In der Apostolischen Exhortation "Sacramentum caritatis“ erklärt unser Heiliger Vater Papst Benedikt XVI. deutlich: „Ganz allgemein bitte ich darum, daß die zukünftigen Priester von der Seminarzeit an darauf vorbereitet werden, die heilige Messe in Latein zu verstehen und zu zelebrieren sowie lateinische Texte zu nutzen und den gregorianischen Choral zu verwenden. Man sollte nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, daß auch die Gläubigen angeleitet werden, die allgemeinsten Gebete in Latein zu kennen und gewisse Teile der Liturgie im gregorianischen Stil zu singen.“

Priester müssen den Gebrauch der lateinischen Sprache beherrschen. Ich denke, die hl. Messe in der ordentlichen Form sollte in den Seminarien vornehmlich in Latein zelebriert sowie in regelmäßigen Zeitabständen auch in der außerordentlichen Form. Dies wäre für die Würde der Liturgie selbst äußerst hilfreich.

In Karaganda haben wir fünfzehn Seminaristen (bei einer Bevölkerung von 150.000 Katholiken im Land) und wir versuchen sicherzustellen, daß der Unterricht der lateinischen Sprache ein wichtiger Bestandteil des Studiums ist.


10) In Ländern, wo der Katholizismus nur die Religion einer Minderheit ist, wenn nicht sogar marginal, wie im Fall von Kasachstan (1% der Bevölkerung), wird die Verwendung einer gemeinsamen Sprache und der modernen Liturgie oft als eine Bereicherung für "die Inkarnation des Evangeliums in einheimische Kulturen und gleichzeitig die Einführung dieser Kulturen in das Leben der Kirche" dargestellt, so wie es Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika „Slavorum Apostoli“ (VI, 21) definiert hat. Exzellenz, können Sie uns angesichts Ihrer Erfahrung sagen, ob die Römische Liturgie in Latein und Gregorianik - und das sowohl in der ordentlichen sowie der außerordentlichen Form - ein Hindernis für die Inkulturation des Katholizismus in Asien ist oder nicht?

AS: Sie sollten bedenken, daß der zentralasiatische Kontext sehr verschieden von dem ist, den Sie in Europa kennen. Es ist unmöglich, das Erbe von 70 Jahren sowjetischer Herrschaft außer Acht zu lassen oder das Gewicht, das die muslimische Präsenz in der Gesellschaft hat, auch wenn das slawisch-orthodoxe Element und die byzantinische Dimension immer präsent sind und bleiben. Kulturell sind wir also weit entfernt von der lateinischen Welt.

Obwohl wir dem Römischen Ritus angehören, wäre im Moment die Zelebration der Liturgie ausschließlich in Latein, in diesem speziellen Zusammenhang, sehr schwer zu realisieren. Man könnte sich den Einsatz einer slawischen Sprache als liturgische Sprache vorstellen, und dann schrittweise einige Teile der Liturgie in Latein einführen.

Dafür gibt es zwei historische Präzedenzfälle:

- Im neunten Jahrhundert, erlaubte die Kirche, aufgrund der Kontinuität der Arbeit der Heiligen Cyrill und Methodius, die Verwendung der slawischen Sprache in Dalmatien, Böhmen und Mähren. Eine Bestimmung, die bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil für Dalmatien, dem aktuellen Kroatien, bestehen blieb.

- Im Jahre 1949 erließ Papst Pius XII. ein Indult, das den Priestern von China erlaubte, die hl. Messe in Chinesisch zu zelebrieren, mit Ausnahme des Kanon, der lateinisch bleiben mußte.

Diese beiden historischen Präzedenzfälle für den römischen Ritus sind in Kasachstan bekannt (das Land hat eine gemeinsame Grenze mit China) und könnten einer Initiative des Heiligen Stuhls als Inspiration für die Verwendung von Russisch in der außerordentlichen Form des römischen Ritus dienen.