Brief 56 veröffentlicht am 28 März 2015

Kard. Zen: „Diejenigen, die die außerordentliche Form lieben, müssen die Möglichkeit haben, an ihr teilzunehmen“

In unserem französischen Brief (Nr. 174 - April 2009) haben wir über die Wahl Kardinal Joseph Ze-Kiun Zens SDB gesprochen, der als Bischof von Hong Kong damals seine letzte Messe im Amt als Pontifikalamt im außerordentlichen Ritus gefeiert hatte. Zu diesem Anlass erkärte er, dass er nach seiner Emeritierung einen Teil seiner Zeit für die Gläubigen aufwenden würde, die der traditionellen Liturgie der Kirche verbunden sind.

Seit dem sind fünf Jahre vergangen und Kard. Zen ist seinem Wort treu geblieben: er kümmert sich um das geistliche und sakramentale Leben der traditionellen Gemeinde der vormals britischen Kolonie. Er hat die Messe dem Missale Johannes XXIII. entsprechend, zelebriert, Firmungen gespendet, Vorträge gehalten und Diakone geweiht, und vieles mehr.

Gegen Ende des Jahres 2014 nach einem Vortrag über die Mission in Asien an der Päpstlichen Urbaniana Universität hatte Paix Liturgique die Möglichkeit, ein kurzes interview mit seiner Eminenz zu führen. Wir sind über die wie immer klaren und herzlichen Antworten dankbar.




I) Interview mit Kard. Joseph Zen Ze-Kiun

1. Was bedeutet die Liturgie für Sie, Eminenz?
Kard. Zen: Das ist der wichtigste Moment meines Tages. Ich bin ein Ordensmann [Anm. d. Red.: Salesianer] und gerade darum schätze ich das gemeinschaftliche Gebet sehr. Glücklicherweise haben wir in meiner Gemeinschaft hervorragende Arrangements bezüglich der Liturgie.

2. Sie waren einer der ersten chinesischen Priester der den Novus Ordo als Zeichen der Einheit mit Rom zelebriert hatten. Seitdem hat Benedikt XVI. die traditionelle Messe auch wieder zugelassen, Sie waren darüber sehr erfreut.
Kard. Zen: Ja, aber es geht hier nicht um die „lateinische Messe“. Man kann die lateinische Messe auch nach dem neuen Missale zelebrieren. Sie denken an die tridentinische Messe, die vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil gefeiert wurde. Ich habe mich persönlich sehr darüber gefreut, dass Benedikt XVI. diese Richtung eingeschlagen hat, als er Papst wurde. Er war ganz im Recht zu sagen, dass die tridentinische Messe niemals abgeschafft wurde. Und wenn es Gläubige gibt, die meinen, damit besser ihre Spiritualität leben zu können, dann muss ihnen auch die Möglichkeit gegeben werden, das zu tun. Ich hatte die Möglichkeit, die nachkonziliare Messe in den chinesischen Seminaren einzuführen [von 1989 bis 1996 war Kard. Zen Professor in chinesischen Seminaren, die damals römischen Priestern verschlossen waren, Anm. d. Red.] und ich habe das mit Freude getan. Aber schon damals habe ich sie daran erinnert, dass nichts Falsches daran sei, die alte Liturgie zu zelebrieren. Unser Glauben, unsere Berufung, unsere Heiligen – alles kommt aus dieser Liturgie und aus dem Gebet.

3. Mögen Sie Lateinisch?
Kard. Zen: Ja, sehr. Ich liebe den gregorianischen Choral und viele Lieder kenne ich auswendig. Ich rezitiere sie auch in meinen persönlichen Gebetszeiten und finde das wunderbar! Ich würde die ordentliche Form auch gerne öfter auf Latein sehen, wie es das Konzil wollte.

4. In Europa haben Gegner der traditionellen Messe erklärt, dass diese Messe nur für eine kleine Gruppe ist. Was denken Sie?
Kard. Zen: Ich sehe das Problem daran nicht. In Hong Kong gibt es auch eine kleine Gruppe. Diejenigen, die die außerordentliche Form lieben, sollten sie auch besuchen können, sie haben ein Recht darauf. Es gibt keinen Grund künstlich die Anzahl der Gläubigen zu erweitern: eine kleine Gruppe reicht.

5. Die außerordentliche Form ist demnach keine Gefahr für die Einheit der Kirche?
Kard. Zen: Nein, ganz und garnicht. Warum auch? Es gibt ganz viele Liturgien in der Kirche, gerade bei den Ostriten. Es ist nichts verkehrt an ritueller Vielfalt.

6. Haben Sie eine Botschaft für die Gläubigen, die an der außerordentlichen Form hängen?
Kard. Zen: Ja, das habe ich. Es gibt klare Anzeichen dafür, dass die traditionelle Messe für die Kirche in Zukunft Bedeutung behalten wird. Den Menschen, die wollen, muss die Möglichkeit gegeben werden, daran teilzunehmen, solange sie nicht gegen die neue Messe sind. In Hong Kong gehen die Menschen, die der alten Messe beiwohnen auch in die neue und haben nichts dagegen. Wie alle Gläubigen auf der Welt, ziehen die Chinese großen Profit aus diesem Traditionsschatz der Kirche.


II) Die Überlegungen von Paix Liturgique

1. Zunächst müssen wir daran erinnern, dass seit dem Sieg Maos die Kirche in eine offizielle (durch den Staat kontrollierte patriotische) Kirche und eine Untergrundkirche geteilt ist, letztere eine Märtyrerkirche, die romtreu bleibt. Als eine Wirkung dieser seltsamen Situation hat der staatskirchliche Katholizismus nichts von den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils mitbekommen und daher auch nicht von der modernen Liturgie, bis eine Öffnung durch Deng Xiaoping in den 80er Jahren ermöglicht wurde. Diese Öffnung erlaubte den damals zukünftigen Kardinal Zen in den Seminaren der patriotischen Kirche zu lehren und am Ende der 1980er Jahre den neuen Ritus zu verbreiten. Trotzdem – und das ist eine Offenbarung von Seiten S. Eminenz – war er bereits damals überzeugt von der Legitimität der traditionellen Messe und erklärte seinen Studenten, dass das alte Messbuch seine Gültigkeit beibehielte.

2. 2014 war ein Jahr der Gnade für die traditionelle Gemeinscahft von Hong Kong: zwei ihrer Mitglieder, darunter auch ihr Gründer wurden zu Priestern geweiht (einer für die Preisterbruderschaft Sankt Petrus ein anderer für die Diözese) und ein dritter – ein Salesianer wie der Kardinal – zum Diakon. Ein Ordensmann und ein Ecclesia Dei-Priester: die traditionelle Liturgie lebt in friedlichem Zusammensein in einem Kontext des geistlicehn Wachstums als eine frutchbare Quelle preisterlicher Berufungen auch am anderen Ende der Welt und trägt damit zur Neuevangelisierung bei.

3. „Diejenigen, die die außerordentliche Form lieben, sollten sie auch besuchen können, sie haben ein Recht darauf.“ Lasset uns dafüt beten, dass diese einfache Weisheit aus dem fernen Osten unsere Gemeinschaften und Pfarrer erleuchten möge und sie dazu ermutigen wird, in Nächstenliebe und Großzugigkeit denjenigen einen Raum zu schaffen, die nach der außerordentlichen Form des römischen Ritus fragen.