Notre lettre 40 publiée le 7 novembre 2013
Martin Mosebach: „Von Papst Benedikts Wirken hat nur ‚Summorum Pontificum‘ eine Chance auf Zukunft.“
Die Kirche erlebt unter Papst Franziskus eine Schwerpunkts-Verschiebung auf die pastorale Arbeit und einen neuen Stil in vielerlei Hinsicht. Die liturgischen Ratgeber des Papstes wurden bereits ausgewechselt. Auch für die Beobachter der päpstlichen Liturgien sind nach einer stetig wachsenden Sakralität unter dem letzten Pontifikat bereits Veränderungen bemerkbar. Wie steht es nun um die von Benedikt XVI. eingeleitete „Reform der Reform“? Wie steht es um das Motu Proprio „Summorum Pontificum“? Was können die Anhänger der außerordentlichen Form in Zukunft vom Papst erwarten? Wie steht es um die Zukunft der Liturgie?Martin Mosebach, preisgekrönter deutscher Schriftsteller und renommierter Autor (letztes Buch: Der Ultramontane. Alle Wege führen nach Rom) hat bereits in seinem berühmten und in viele Sprachen übersetzen Buch „Häresie der Formlosigkeit“ mit scharfem Blick, treffsicher und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, die Verfehlungen in der nachkonziliaren Entwicklung der Liturgie aufs Korn genommen und damit den Gläubigen, die besonders unter der weit verbreiteten liturgischen Experimentierfreudigkeit mit all ihrem Formverlust der römischen Liturgie, der Marginalisierung des Opfercharakters und der verbreiteten Umdeutung der hl. Messe zu einer Gemeindeversammlung litten, zutiefst aus der Seele gesprochen. Er schildert dort mit schriftstellerischer Brillianz seine persönlichen Erfahrungen in verschiedenen Ländern und seine daraus folgende Hinwendung zur überlieferten Liturgie.
Heute kommentiert er scharfsinnig und exklusiv für Paix Liturgique die momentane Lage nach dem Pontifikatswechsel und seine Einschätzung der Zukunft .
Martin Mosebach (foto: Paul Badde)
1) Was ist Ihrer Meinung nach die Zukunft der liturgischen Reform von Papst Ratzinger? Kann sie noch Frucht tragen oder bewegen wir uns in eine Sackgasse hinein?
MB: Papst Benedikts wichtigstes liturgisches Anliegen ist sicher eine „Reform der Reform“ gewesen. Dieses Vorhaben war kaum begonnen; man muss sich wohl eingestehen, dass Papst Benedikt es mit seinem Rücktritt aufgegeben hat. Gegenwärtig dürfte es keine Chance mehr haben, weiter verfolgt zu werden, zumal die Ritenkongregation dem Vernehmen nach vom neuen Papst mit erklärten Feinden einer „Reform der Reform“ besetzt wird. Umso wichtiger ist das Erbe, das Papst Benedikt in Gestalt von „Summorom Pontificum“ hinterlassen hat: die Wiedereingliederung des Alten Ritus in die Riten der Kirche.
Aber dies dürfte zumindest für die Zeit des Pontifikats von Papst Franziskus das letzte positive Wort sein, das wir nicht nur über den Alten Ritus, sondern über Liturgie ganz generell aus Rom zu hören bekommen. Papst Benedikt hat die Situation offensichtlich vollständig falsch eingeschätzt. Er hat offensichtlich nicht gesehen, wie tief der Geist der antiliturgischen Häresie schon in den hohen Klerus eingedrungen war.
2) In seinem Interview mit den Jesuiten erklärte Papst Franziskus, dass „Summorum Pontificum“ eine kluge Geste von Benedikt XVI. war, um einige Gläubige zufrieden zu stellen, die dem „Vetus Ordo“ anhängen. Die traditionelle Welt hingegen hält daran fest, - sich auf die Erklärungen von Kardinal Cañizares und Castrillón Hoyos stützend - dass der Weltkirche damit ein Schatz offenbart wird: Wer hat Recht?
MB: Von Papst Benedikts Wirken hat nur „Summorum Pontificum“ eine Chance auf Zukunft. Wahrscheinlich war eine „Reform der Reform“ von Anfang an ein aussichtsloses Projekt. Bei der allgemeinen liturgischen Unbildung und Verständnislosigkeit des Klerus war es hoffnungslos, für die Rückkehr einzelner sakramentaler Formen zu werben, die erst aus dem Gesamten des sakramentalen Corpus ihren Sinn und ihre Bedeutung empfangen. Papst Benedikts Scheitern in dieser Frage bestätigt, daß das Maximalprogramm der „Uneinsichtigen“ und „zu keinem Kompromiss Bereiten“, das Realistischste war: die vorbehaltlose Rückkehr zur Überlieferung.
3) Vom 24. bis zum 27. Oktober fand in Rom eine Pilgerfahrt des „Coetus Summorum Pontificum“ statt. Nach Kard. Cañizares hat dieses Jahr Kard. Castrillón Hoyos im Petersdom zelebriert: Wie wichtig war es für die Kirche, dass die Gläubigen, die der außerordentlichen Form des römischen Ritus anhängen, bei diesem Ereignis ihre Nähe zur traditionellen Liturgie bezeugt haben? Kann auf diese Weise auch der neue Papst eine Wirklichkeit kennenlernen, die er vielleicht nur wenig kennt?
MB: Wir erleben als Katholiken das bedrückende Schauspiel eines Papstes, der gegenüber der Öffentlichkeit den Weg des geringsten Widerstandes geht und der dafür, wie jeder, der dem Mainstream folgt, als „mutig“ bejubelt wird. Wir dürfen Papst Benedikt glauben, wenn er die große Überlieferung der Liturgie als Schatz der Kirche ansah. Es war keine schlaue diplomatische Geste von ihm, dieser Überlieferung wieder einen Platz in der Kirche zu sichern. Dass Papst Franziskus das anders sehen mag, passt leider nur allzu gut ins Bild.
4) Schließlich, wenn man an den Widerstand gegen die liturgische Restaurierung von Papst Benedikt denkt, und auf der anderen Seite das Scheitern der Einheit von Rom und Écône gewahr wird: Müssen wir Angst vor einem neuen liturgischen Kriegsausbruch haben?
MB: Es ist sehr wichtig, dass die Pilgerfahrt des „Coetus Summorum Pontificum“ viele Menschen nach Rom führt. Für einen populistisch gesonnenen Papst mag eine eindrucksvolle Beteiligung vielleicht sogar ein kleines positives Argument enthalten, aber die Anhänger des Alten Ritus sollten sich jetzt ganz fest entschlossen darauf einstellen, in den nächsten Jahren nicht mehr nach Rom zu blicken und auf Rom fixiert zu sein, sondern die neugewonnene Freiheit am jeweiligen Ort zu befestigen und auszubauen und die Hoffnung ganz und gar auf eine neue Generation von Priestern zu setzen. Vergessen wir nicht, das Schlimmste, das wahrhaft Unvorstellbare, liegt schon hinter uns: ein römischer Papst, Paul VI., der die Liturgie zerstört.
5) Sechs Monate nach der Wahl Papst Franziskus‘ scheint es, dass von der liturgischen Reform Papst Benedikts nicht viel übrig geblieben ist: Ist es so?
MB: Grundsätzlich ist das vorstellbar. Wir sehen zum Beispiel beim Eingreifen des Vatikans in das Ordensleben der Immaculata-Franziskanerinnen, dass jede traditionelle geistliche Gemeinschaft, in der nicht ein ungebrochener gemeinsamer Wille alle Mitglieder vereint, in ihrem Bestand gefährdet ist. Auf der anderen Seite dürfen wir natürlich feststellen, dass die offizielle Kirche in Westeuropa insgesamt viel schwächer geworden ist und deshalb auch nicht mehr ohne Weiteres über die Kraft verfügt, mit der sie in den 70er- und 80er-Jahren ihr Zerstörungswerk betreiben konnte. Und auf der anderen Seite sind die Traditionsgruppen stärker geworden; man kann sie nicht mehr einfach einschüchtern und wegfegen, wie das so viele Bischöfe „im Geist des Konzils“ getan haben.
Die Chancen für die Tradition stehen nicht so schlecht, wenn sie sich darauf konzentriert, im Inneren stark zu bleiben, sich nicht in Streitereien zu verzetteln und vor allem junge Leute, junge Priester, für sich zu gewinnen. Wir hatten eine kurze Rekreationszeit, jetzt muss es wieder ohne Rom gehen; aber das kennen wir ja schon.