Brief 29 veröffentlicht am 31 Oktober 2012

Frankreich: Der Anteil der Weihen für die außerordentliche Form steigt weiter an

Die zunehmend blutleere Kirche in Frankreich richtet mehr und mehr gebannt ihren Blick auf die jährlichen Weihezahlen, die im Juni jedes Jahres veröffentlicht werden. 2012 bestätigten die Zahlen einen Trend: einen Abfall der allgemeinen Anzahl der Seminaristen und der Weihen, aber eine wachsende Zahl der Priesteramtskandidaten für die außerordentliche Form. Neben diesen Statistiken zeigen auch andere Analysen eine „Traditionalisierung“ des französischen Diözesanklerus an…oder besser: was von ihm übrig bleiben wird.


I- Die Zahlen des Jahres 2012

Im vergangenen April haben wir im Brief Nr. 27 über die Anzahl der Seminaristen angekündigt, dass unglücklicherweise das Jahr 2012 ein schwaches Jahr im Hinblick auf neue Priester sein werde.

Die französische Bischofskonferenz hat in einem Kommuniqué vom 15. Juni nüchtern ankündigen lassen, dass dieses Jahr nur 96 Diözesanpriester geweiht werden würden.

Nach der Zahl von 109 im letzten Jahr bedeutet das einen Rückgang von 11 Prozent. Tatsächlich ist diese Zahl vergleichbar mit der des Jahres 2010. Gleichzeitig gehen Jahr für Jahr ca. 800 Priester in den Ruhestand.

Wenn wir die Weihen in der außerordentlichen Form mit einbeziehen, haben wir 20 Weihen von Priestern, die für den Dienst in Diözesen bestimmt sind, darunter neun für die Ecclesia Dei Gemeinschaften und elf der FSSPX. Im Jahr 2011 gab es 18 neue französische Priester, elf von ihnen waren von der Priesterbruderschaft St. Pius X.

Während also im Jahr 2011 auf jeden „außerordentlichen“ Priester sechs Diözesanpriester kamen, ist das Verhältnis dieses Jahr 5:1.

Der Trend geht also -wenn er auch auf Zahlen basiert, die sehr niedrig sind und deshalb empfindlich auf die kleinste Änderung reagieren-, zu Gunsten der außerordentlichen Form.

Weiterhin sind wir, seitdem wir regelmäßig die Anzahl der Kandidaten für die französischen Seminare zählen, in der Lage zu schätzen, dass 30 Prozent der französischen Priesteramtskandidaten den Geist von Summorum Pontificum haben; sie haben unter dem Strich jede Intention, die außerordentliche Form des Römischen Ritus zu feiern, entweder regelmäßig oder gelegentlich.

Diese französische Beobachtung entspricht der vieler anderer Länder: zukünftige Priester streben an, „in utrique usu“ (in beiden Formen) zu feiern.


II- Die schrittweise Traditionalisierung des übrig gebliebenen Diözesanklerus

Folgende Tatsache wird von allen, die in der Ausbildung der zukünftigen Priester tätig sind, festgestellt: Seminaristen sind mehr und mehr ausdrücklich von den traditionellen Formen angezogen. Der Wunsch vieler junger Priester und Priesteramtskandidaten, ihr Priestertum auch in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus auszuüben, bildet, entweder kurz- oder langfristig, ein wachsendes Potential für die Verbreitung der traditionellen Messe.

Denken wir deswegen aber nicht, dass wir eine unabwendbare „Rückkehr“ der traditionellen Liturgie vor uns haben.
Vom rein liturgischen Gesichtspunkt aus dürfen wir nicht die Schwierigkeiten ignorieren, denen sich die außerordentliche Form gegenübersieht, mögen auch viele zukünftige Leviten und Neupriester den Wunsch haben, sie zu feiern.

a) Auf der einen Seite sind die Widerstände des Klerus jeden Rangs (einschließlich seitens des klerikalisierten Laientums), der die Gewinne des „Geistes des Konzils“ bewahren will, weiterhin sehr stark.

b) Auf der anderen Seite existiert ein Bruch in der Kultur und im Gottesdienst, den die säkularisierende Reform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verursacht hat.

Die Kenntnis der lateinischen Sprache, die in vielen französischen Seminaren gerade einmal optional ist (ein wenig aus ideologischen Gründen, mehr durch den allgemeinen Verfall der freien Bildung in Frankreich), ist bei vielen der neuen Seminaristen und des Neuklerus sehr schwach.

Mehr noch ist der unvergessliche rituelle Habitus, den die römische Liturgie darstellt, völlig aus den jüngeren Rängen des französischen kirchlichen Leibes verschwunden.

Dieses Hindernis haben die Priester zu überwinden, die sich wünschen, die außerordentliche Form zu feiern oder mit ihr vertraut zu werden (ebenso die Gläubigen, selbst die mit dem besten Willen).

Sobald jemand die außerordentliche Form annimmt oder ihr nur nahekommt, dann findet er sich in einem rituellen Universum wieder, das ihm in der Tat ganz fremd geworden ist- wenn auch nur deswegen, weil es im Gegensatz zum liturgischen Universum des Zweiten Vatikanums ein wesentlicher und kraftvoller Ritus ist- und, obwohl es unmittelbar und offensichtlich einen großen Reichtum an Transzendenz und Katechese bietet, ebenso auch auf einem intensiven Gefühl basiert, in eine unvergessliche Tradition einzutauchen.

Trotzdem bleibt ein Hindernis, das, obwohl nicht unüberwindlich, einem doch angemessene Bemühungen abfordert.

Nichtsdestoweniger gibt es eine immer größere Vermischung der „ordentlichen“ “ Kleriker und Liturgie und der „außerordentlichen“ Kleriker und Liturgie.

Es ist wichtig wahrzunehmen, dass diese Tatsache für eine realistisch zukünftige Reorganisation der französischen Priesteramtsschmieden nicht ignoriert werden kann, gerade in einer Zeit extremen Mangels.

In Frankreich zählen die Ecclesia Dei Priester, die den Diözesanpriestern ähnlich wirken(mit Ausnahme der Ordenspriester), über 300. Diese Priester dienen in über 400 Sonntagsmessen und arbeiten als Kapläne für ein Netzwerk von über hundert Privatschulen (50 Schulen der FSSPX und ca. 40 der Ecclesia-Die-Gruppen).

Schon bald wird man übereinstimmend von diesen Priestern verlangen, in den Diözesen mitzuhelfen, wobei ihre Wahl, die außerordentliche Form zu zelebrieren, respektiert werden muss.

Viele und immer mehr diözesane Territorien sind wegen des Priestermangels mit einer sinkenden oder einer praktisch verschwundenen kirchlichen Präsenz konfrontiert.

Eine der Dynamiken der Neuevangelisierung sollte logischerweise darin bestehen, diese priesterliche „Wüste“ mit traditionellen Kräften zu bevölkern.


III. Überlegungen von Paix Liturgique

Wir können nur wiederholen und vervollständigen, was wir in unserem Brief über die Statistik der Seminare in Frankreich bereits ausgedrückt haben.

1) Es ist offensichtlich, dass der Anstieg von Berufungen und Weihen für die außerordentliche Form nicht ausreicht, nicht einmal langfristig gesehen, um den Priestermangel in Frankreich auszugleichen.

Dazu wären 20.000 Seminaristen in der Ausbildung nötig, während ihre Zahl am 15. November 2011 nur 850 betrug: 710 in Diözesanseminaren und 140 für die außerordentliche Form, darin enthalten 50 der FSSPX).

Das zwanzigfache an Seminaristen wäre nötig, um dem laufenden Mangel auszugleichen.

Ist das Grund genug, die 140 traditionellen Seminaristen von heute zu ignorieren?

2) Die Liturgie mit ihren Reformen nach dem Konzil, wenigstens wie man es interpretiert hat, scheint zumindest ein Aspekt der großen Säkularisierung-Welle und des Rückgangs des Missionsgeistes zu sein.

Umgekehrt hat alles, was mit der traditionellen Liturgie „einhergeht“, Katechese, Jugendbildung, Schulen, Bewegungen und vor allem Priesterberufungen, einen missionarischen Wert, der zumindest den Schaden begrenzt.

Die tausende von jungen Pilgern der traditionellen Pfingst-Pilgerfahrten bezeugen die sakramentale und missionarische Lebendigkeit dieser christlichen Gemeinschaften, die den Rhythmus der Messe in der außerordentlichen Form leben.

Aus ihren Reihen entspringt eine ganze Generation junger Priester, die die geistige Fruchtbarkeit und den Berufungsreichtum der traditionellen Gemeinschaften bezeugen.

3) Mehr als 15 Prozent der neuen Priester in Frankreich werden von den 4 Prozent praktizierender Katholiken „generiert“: von denjenigen, die jeden Sonntag Zugang zur traditionellen Liturgie haben.

Die Anzahl der jungen Menschen, die der außerordentlichen Form nahe stehen, wird wachsen, wenn die Mittel, sie weiter zu erlauben, zur Verfügung gestellt werden (dies betrifft vor allem diejenigen, die für die Priesterausbildung in der außerordentlichen Form verantwortlich sind, d.h. Ecclesia-Dei-Institute und zweitens die psychologischen und pastoralen Fähigkeiten der Diözesanleiter, diese jungen Menschen aufzunehmen).

Um bei dem guten alten Prinzip zu bleiben, dass man das liebt, was man kennt und praktiziert, wird zweifelslos dort, wo die außerordentliche Form auf Pfarreiebene zugänglich gemacht wird, die Anzahl der jungen Menschen steigen, die etwas entdecken, von dessen Existenz sie vorher nicht einmal wussten, und wird ihnen die Möglichkeit bieten, diesem Weg zu folgen.

In einer französischen Großstadt gehen aus der Pfarrei, die die außerordentliche Form anbieten, per annum fünf Berufungen hervor, einige sogar für das Diözesanseminar.

Man kann nun nicht behaupten, dass die Anzahl der Diözesanseminaristen sinken würde, wenn die Zahl der Messen in der außerordentlichen Messe in derselben großen Stadt zunähme, vielmehr gebe es dort mehr Eintritte.
Gerade wenn die außerordentliche Form auch an Wochentagen zugänglich wäre…

4) Mit anderen Worten: Während einer von sechs neuen Priestern von weniger als 4 Prozent der praktizierenden Katholiken generiert wird, könnte dieser außergewöhnliche Berufungsnährboden (verglichen mit einer Bankrottsituation) noch deutlich größer sein.

Es ist offenkundig, dass das „Angebot“ der traditionellen Zelebrationen der „Nachfrage“ mehr entsprechen müsste, denn während nur weniger als 4 Prozent der praktizierenden Katholiken ihr Glaubensleben im Rhythmus der außerordentlichen Form begehen, zeigen unsere Untersuchungen immer wieder, dass wenigsten ein Drittel der Gläubigen (und bis zu zwei Drittel in der Diözese Rennes!) es wünschen, die traditionelle Form der Liturgie in ihrer Pfarrei zu besuchen.

Mehr Pfarreien der Feier der außerordentlichen Form zu öffnen und damit das Bedürfnis der Gläubigen zu befriedigen, und denen, die sie noch nicht kennen, ihre Entdeckung zu ermöglichen, würde die Anzahl der Summorum Pontificum Seminaristen wachsen lassen, mit einem unmittelbaren Einfluss auf die Zahl der Diözesanberufungen.

5) Schließlich möchten wir hervorheben, dass 43 von 90 Diözesen in diesem Jahr keinen einzigen Priester weihen…Von diesen 43 Diözesen erwarten einige in den kommenden Jahren keine einzige Berufung. Es wäre es also wert zu studieren, wie sich auf der Basis der einzelnen Fälle die Aufnahme des Motu Proprio von Benedikt XVI. auf diese Diözesen ausgewirkt hat.

Während gesellschaftliche Veränderungen einen Teil dieser Tragödie erklären, ist die Ausgrenzung oder sogar Verfolgung der Familien, die der außerordentlichen Form nahe stehen, sicher nicht ganz unbeteiligt daran…