Brief 22 veröffentlicht am 24 Februar 2012

Interview mit Msgr. Le Gall, Erzbischof von Tolosa:
Im Sinn („mens“) des Hl. Vaters handeln

Nachdem Msgr. Le Gall, Erzbischof von Tolosa, viele positive Zeugnisse über die Feier hl. Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus im Laufe des Weltjugendtages von den Pilgern von „Juventutem“ erhalten hatte, wollten wir ihm selber zur Kommentierung dieser Erfahrung das Wort erteilen.

Bereits als Abt der Abtei von Kergonan war der Erzbischof von Tolosa sechs Jahre lang Präsident der bischöflichen Kommission für Liturgie der Bischofskonferenz von Frankreich. Seine tiefe Vertrautheit mit der lateinischen Sprache und dem gregorianischen Choral erlaubte es ihm, sich mit extremer Mühelosigkeit der außerordentlichen Form anzunähern.

Wir danken Msgr. Le Gall von ganzem Herzen für die freundliche Bereitschaft, mit der er dieses Interview gewährt hat, und für seine dabei bewiesene Offenheit, die genau auf der Linie des Friedens und der Versöhnung in der Kirche liegt.


1) Monsignore, im Umfeld des WJT in Madrid haben sie die außerordentliche Form des römischen Ritus für die Jugendlichen der Gruppe „Juventutem“ gefeiert. Unseres Wissens nach war es das erste Mal, dass sie als Erzbischof von Tolosa die traditionelle Liturgie gefeiert haben. Wie war diese Erfahrung für Sie?

Msgr. Le Gall: In Wirklichkeit ist mir die traditionelle Liturgie nicht ganz fremd. Ich habe meine Gelübde am 8. Dezember 1965 in Kergonan abgelegt, am Abschlusstag des Zweiten Vatikanischen Konzils. Also habe ich die tridentinische Liturgie in der benediktinischen Form vor der Liturgiereform kennengelernt und praktiziert.
Es ist wahr, dass ich in diesem Sommer zum ersten Mal die außerordentliche Form zelebriert habe. Aber nicht in Madrid, sondern am 30. Juli in Donezan, einer Gemeinschaft, zu deren Besuch ich im vergangenen Jahr Gelegenheit hatte, als ich einen Priester und einen Diakon geweiht habe. Dieses Benediktinerkloster, ein Zweig von Fontgombault, ist zwar nicht Teil meiner kirchlichen Provinz, liegt aber in der Nähe der Diözesen Carcassonne und Narbonne.
Der Einladung von Alain Planet, dem Bischof von Carcassonne, folgend, habe mich also anlässlich einer benediktinischen Weihe, bei der der Zelebrant die Fähigkeit haben musste, die Messe zu singen, nach Donezan begeben. Ein Pontifikalamt in der außerordentlichen Form zu feiern ist eine bedeutende Verpflichtung, denn es werden eine besondere Vorbereitung und ein aufmerksamer Zeremonienmeister gebraucht. Beide Bedingungen wurden bei dieser Gelegenheit zufriedenstellend erfüllt und alles ist bestens verlaufen.
Als Kardinal Rylko, der Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien und in seiner Funktion Hauptorganisator des WJT, mich darum bat, die außerordentliche Form für die Gruppe von „Juventutem“ zu feiern, hatte ich keine Schwierigkeit damit, zuzusagen.

2) Im Jahre 2007 bekräftigten sie in einem Kommuniqué der liturgischen Kommission der CEF (Bischofskonferenz Frankreichs) das Motu Proprio „Summorum Pontificum“ von Benedikt XVI. mit den Worten, dass man die Initiative des Hl. Vaters „aufgreifen, sie verstehen und die Richtung einschlagen“ müsse, „um die er bittet“. War es vielleicht aus diesem Geist, dass sie der Einladung Msgr. Planets und Kardinal Rylkos wohlwollend nachgekommen sind?

Msgr. Le Gall: Ja, sicher. Nachdem der Hl. Vater seine Entscheidung getroffen hatte, das Motu Proprio zu veröffentlichen und es mit der Instruktion „Universae Ecclesiae“ untermauerte, war ich mir dessen bewusst, dass es für uns als Bischöfe die Pflicht beinhaltet, in seiner „Mens“ (in seinem Sinne) zu handeln. Es ist notwendig, seine Motivationen verstehen, seine Sorge um eine Liturgie, die würdig und betend sein soll, seinen Wunsch nach Frieden und Versöhnung in der Kirche, und dass wir seinem Beispiel folgen.
Wohlwissend, dass „in die Richtung von Papst Benedikt gehen, in die er uns führt“, auch bedeutet, dass man nicht prinzipiell die ordentliche Form ablehnt und es vermeidet, sie in den Staub zu ziehen. Leider ist das eine Haltung, die man in einigen Traditionalistenkreisen nicht antrifft.
In einem meiner Artikel im Jahre 2008 für „Lumière et Vie“, die dominikanische Zeitung von Lyon, bezüglich des ersten Jahres der Anwendung des Motu Proprio habe ich mich bemüht, alle diese Aspekte aufzuzeigen. Der Heilige Vater, der davon erfahren hatte, bestätigte mir meine richtige Interpretation seiner Initiative.

3) Friede und Versöhnung. Die wichtigste Motivation des Motu Proprio ist in der Tat die Einheit der Kirche, ein Thema, das im Mittelpunkt des Pontifikats von Benedikt XVI. steht. Gerade aus dem Grund der Einheit der Kirche vertritt Paix Liturgique auch die Meinung, dass die Feier der außerordentlichen Form in den Pfarreien gefördert werden sollte, nicht nur in darauf spezialisierten Orten. Wären sie damit einverstanden zu sagen, dass für einen Bischof die Feier der außerordentlichen Form ein Beweis seiner Einheit mit dem Heiligen Vater sein kann? Ist das der Sinn der von ihnen zelebrierten Messe während des Weltjugendtags?

Msgr. Le Gall: Ja, so kann man es sehen. Es ist eine Möglichkeit für einen Bischof, die Einheit mit dem hl. Vater zu verwirklichen, aber es ist nicht die einzige.

4) Sie haben für die katholischen Jugendlichen, die sich der außerordentlichen Form des römischen Ritus verbunden fühlen, zelebriert. Wie erklären Sie die Anziehung vieler von ihnen zu einer Liturgie, die einige Menschen, Laien wie Priester, nach wie vor als rückständig und veraltet betrachten?

Msgr. Le Gall: In Tolosa, wo wir eine sehr dynamische und fruchtbare Jugendarbeit haben, kann ich jeden Tag den Wunsch der Jugendlichen nach einer schlichten und würdigen, aber auch aktiven und gemeinschaftlichen Liturgie feststellen. Und es ist leicht zu verstehen, dass die außerordentliche Form ihnen mit ihrer Stille und der Möglichkeit zur Sammlung eine tiefere Innerlichkeit bietet. Allerdings frage ich mich, wo der Platz für den Ausdruck der Gemeinschaft reserviert ist.
Es ist ein Phänomen, das die Bischöfe in Frankreich gut kennen: Die Jugendlichen sind daran gewöhnt, ununterbrochen von einer Erfahrung zur nächsten zu hasten und auch ihre religiöse Praxis entspricht dieser Haltung. An einem Tag sind sie Charismaten, am nächsten Traditionalisten. Und umgekehrt.
Während des WJTs habe ich für Juventutem gepredigt wie für jede andere Gruppe auch. Es ist sehr gut verlaufen und ich hatte nicht die Empfindung, dass ich die Jugendlichen irgendwie anders behandeln müsste.

5) In ihrer Diözese wird das Motu Proprio in Tolosa umgesetzt, sie haben dem Institut Christus König ein Apostolat anvertraut und auf dem Land dem Dekanat von Grand Selve. Was können Sie über diese Gemeinschaften sagen? Haben sie sie schon besucht oder planen sie es in naher Zukunft?

Msgr. Le Gall: Im Jahre 2012 habe ich bei meiner Ankunft in der Stadt der Zelebration von Christi Himmelfahrt in Saint-Jean-Baptiste in Tolosa vorgestanden, in der Kapelle, die dem „Institut Christus König und Hohepriester“ im Jahre 2003 noch vor dem Pontifikat von Benedikt XVI. anvertraut wurde, und zwei Tage später habe ich das Sakrament der Firmung gespendet.
Obwohl ich noch nie einer Messe in Lunac im Dekanat Grand Selve beigewohnt habe, pflegen wir trotzdem gute Beziehungen mit dieser Gemeinschaft und deren Hirten. Es handelt sich um eine Anwendung des Motu Proprio auf Pfarreiebene, in der die ordentliche und die außerordentliche Form friedlich nebeneinander existieren und sich gegenseitig befruchten, genau so, wie es dem Wunsch des Papstes entspricht. Um ein Beispiel zu nennen: Anlässlich der Firmung in dem Dekanat in der ordentlichen Form hat der Pfarrer einen Altar mit dem Kruzifix in der Mitte und mit sechs Kerzenständern auf dem Altar vorbereitet, wie es auch wieder im Petersdom in Rom gemacht wird.
Vor kurzem erzählte mir der Regens unseres Seminars beim Begräbnis von Msgr. Gaidon, dem Bischof von Cahors, von einem symbolischen Ereignis mit der Gemeinschaft Grand Selve. Er war für eine Betrachtung des Prologs des Johannesevangeliums eingeladen worden und erklärte, dass es leider ein wenig unbekannt sei, weil für die die Weihnachtsmesse reserviert. Daraufhin erwiderte ein Gläubiger: „Wir hören es aber doch jeden Sonntag!“ Es handelte sich also offensichtlich um einen Gläubigen, der regelmäßig an der außerordentlichen Form in der Pfarrei teilnahm.
Ich habe noch keine Pläne, in naher Zukunft in einer dieser Gemeinschaften zu zelebrieren, aber ich würde es sehr gerne tun, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Gerade auch, weil ich seit diesem Sommer ein Pontificale Romanum aus dem Jahre 1962 besitze.

6) In Ihrem Kommuniqué von 2007 haben sie geschrieben, dass „das Lateinische die Norm unserer römischen Kirche bleibt“; trotzdem wissen wir, dass es in vielen Seminaren nicht mehr gelehrt wird. Gilt es da nicht, einen gravierenden Mangel zu beheben?

Msgr. Le Gall: Ich kann darauf keine allgemeine Antwort geben, aber ich kann versichern, dass die lateinische Sprache in Tolosa ihren Platz bekommt.

7) Haben sie eine besondere Botschaft für unsere Leser?

Msgr. Le Gall: Ich möchte nur darauf dringen, wie wichtig es ist, dass alle Katholiken, nicht nur die Priester und Bischöfe, in die Richtung gehen, die vom Heiligen Vater vorgegeben wurde. Das, was er wünscht, sind der Friede und die liturgische Einheit mit gegenseitigem Respekt vor den beiden Formen, ohne einen Grabenkrieg zu führen. Die „forma ordinaria“ bleibt die ordentliche Messform in den Pfarrgemeinden und Kongregationen, immer im Respekt vor den Gläubigen und der Tradition der Kirche.