Brief 4 veröffentlicht am 10 März 2010

Der liturgische Friede, ein weltweites Erfordernis

Mit seiner neuen polnischen Ausgabe hat der „Brief für den liturgischen Frieden“ („Lettre de Paix Liturgique“) nun eine breite Internationalität erlangt. Der ersten fremdsprachigen Ausgabe in Italienisch, publiziert im Sommer 2009, sind dann Ausgaben in Deutsch, Spanisch, Englisch und Portugiesisch und, seit dem letzten Monat, nun auch in Polnisch gefolgt. Diese Entwicklung unseres Rundbriefes entspricht der zunehmenden Verbreitung der Zelebration der traditionellen Messe, nun „außerordentliche Form des römischen Ritus“ genannt, wie sie das Motu Proprio „Summorum Pontificum“ des Heiligen Vaters Benedikt XVI. vom Juli 2007 der ganzen Kirche nahelegt. Die Vereinigung „Paix Liturgique“ ist in ihrem Ursprungsland Frankreich bestens bekannt, was jedoch noch nicht überall im Ausland der Fall ist. Um unseren neuen Lesern zu erklären, was die Besonderheit von „Paix Liturgique“ ausmacht, geben wir heute unserem Präsidenten Christian Marquant das Wort.

Der Gründer des „Mouvement de la jeunesse catholique de France (MJCF)“ (1967) und von „Oremus“ (1990) hat am Anfang des 21. Jahrhunderts „Paix Liturgique“ ins Leben gerufen. Zu Beginn auf die Diözese von Nanterre (in der Region von Paris) begrenzt, hat sich die Tätigkeit von „Paix Liturgique“, die darin besteht, die Anwendung der bischöflichen Anordnungen zugunsten der traditionellen Messe zu unterstützen, nach und nach auf ganz Frankreich ausgebreitet.

PL: Christian Marquant, was bedeutet „Paix Liturgique“ heute?

CM: Vom Beginn der Tätigkeit von „Oremus“ in den 90er Jahren, als die Kampagne zur Umsetzung des Motu Proprio „Ecclesia Dei“ von Papst Johannes-Paul II. vom Jahre 1988 [1] in der Diözese Nanterre begann, bis zum Erscheinen von „Paix Liturgique“, haben wir uns sehr entwickelt, besonders hinsichtlich der Methoden der Verbreitung. Durch die Nutzung des Internets sind wir von einer Gruppe von Gläubigen, die dazu verurteilt waren, klassische und kostspielige Mittel zu verwenden (Versand von zahlreichen Briefen, Herausgabe von Zeitschriften, etc…), zu einem großen Team von Korrespondenten und Redakteuren geworden, die wöchentlich einen elektronischen Brief verbreiten. Aber eigentlich ist es immer der Wunsch, zur Versöhnung und zur Einheit der Kirche beizutragen, der uns beseelt.

Während zu Beginn unsere Sorge einer Ausbreitung auf ganz Frankreich galt, entfaltet unser Brief seit dem „Motu Proprio Summorum Pontificum“ seine Wirkung in der ganzen katholischen Welt. Wir erreichen heute mehr als 350 000 Personen mit seiner französischen Version und ungefähr 200 000 Personen durch die verschiedenen internationalen Versionen.

Wir haben den Sinn für die Realität und das Bewußtsein unseres Ursprungs nicht verloren, aber konnten unsere Gangart verfeinern, indem wir uns dem ruhigeren Klima angepaßt haben, das seit dem Pontifikat von Papst Benedikt XVI. ausschlaggebend ist. So sind wir zum Beispiel an verschiedenen Orten vor der hl. Messe auf die Gläubigen und den Klerus zugegangen und haben seit März 2009 in Frankreich 550.000 Exemplare eines Faltblattes zur Unterstützung des Heiligen Vaters verteilt.

PL: Sie haben die internationale Version des „Lettre de Paix Liturgique“ erwähnt, können Sie uns etwas darüber sagen? Wie kommt es zu dieser Internationalisierung?

CM: Seit Beginn von „Paix Liturgique“ gibt es die Überzeugung, daß die katholische Tradition kein Indianerreservat ist. Die Rehabilitation der liturgischen Tradition der Kirche ist weder alleinige Sache der Piusbruderschaft, noch der sogenannten Tradis, noch einzig der katholischen Franzosen, sondern sehr wohl aller Katholiken. Das hat Kardinal Cañizares, Präfekt der Kongregation des Göttlichen Kultes, im Vorwort zum Buch von Mgr. Nicola Bux, "Die Reform von Benedikt XVI." wunderbar dargelegt. Die Übersetzung ins Französische ist kürzlich beim Verlag Tempora erschienen.

Da die „Reform der Reform“, die vom Papst gewünscht wird, uns alle etwas angeht, schien es uns nützlich, vorerst unseren Brief im Internet zu entwickeln, um ihn erstens aus dem begrenzten Kreis unserer Freunde und Sympathisanten herauszuholen und zweitens allen Katholiken auf der ganzen Welt zugänglich zu machen. Seit sechs Monaten haben wir nun bis zur Erschöpfung unseres Teams daran gearbeitet, unsere Datenbank zu vervollständigen, um monatliche Ausgaben in Englisch, Portugiesisch, Spanisch, Deutsch und Italienisch anbieten zu können. Das erlaubt uns, unsere Sicht zu erweitern und festzustellen, daß die Liturgiefrage sehr wohl eine universelle Angelegenheit der Kirche ist und nicht nur ein französisches Problem. In Hongkong, den Philippinen, in Nigeria, Brasilien oder Mexiko, sowie Polen oder Großbritannien, sind Gläubige, Priester, Ordensleute und Prälaten täglich für die Wiederentdeckung dieses Schatzes der Kirche, der traditionellen Messe, tätig.

PL: Wie nehmen Sie die aktuelle Situation wahr?

CM: Sie ist ganz einfach unverhofft: zum ersten Mal seit den brutal aufgezwungenen Umwälzungen im Namen des „Geistes des Konzils“ scheint es möglich, sich - über die liturgischen Vorlieben einzelner Gruppen hinaus - versöhnen zu können. Der Papst hat nämlich die letzten – tatsächlichen oder mutmaßlichen – Hindernisse weggeräumt, indem er die Einheit aller Katholiken mit dem Heiligen Vater unterstreicht. In diesem wohlgesinnten Klima ruht die Einheit also fortan hauptsächlich auf dem persönlichen Engagement jedes Getauften: der Gläubigen, deren Rolle und Rechte in der Kirche das 2. Vatikanische Konzil unterstrichen hat, aber auch der Bischöfen und Priester, die als Hirten voll verantwortlich dafür sind. Für jeden von uns handelt es sich schließlich darum, uns zu fragen, ob wir wirklich unseren Verpflichtungen im Glauben an Jesus Christus treu sein wollen.

PL: „Paix Liturgique“ hat sich besonders mit der Durchführung von Meinungsumfragen einen Ruf erworben …

CM: Die Idee, Meinungsumfragen durchzuführen, ist aus der Geringschätzung uns gegenüber geboren worden: "ihr existiert nicht", "ihr lebt im falschen Jahrhundert", "bei uns gibt es kein liturgisches Problem", "ihr habt den Zug der Erneuerung verpaßt", etc. Diese Behauptungen erschienen uns nicht nur von Anfang an als Karikaturen, sondern vielmehr haben sie sich im Laufe der Jahre als schlicht unbegründet erwiesen: die Anzahl der Gläubigen, die die alte Messe liebgewinnen, steigt immer mehr, die Jungen werden dabei besonders von ihr angezogen.

Als privilegierter Beobachter habe ich seit mehr als 40 Jahren und seit der Geburt der französischen Bewegung der „Stillen in der Kirche“ kurz nach dem Konzil feststellen können, daß diejenigen, die durch die traditionelle Liturgie angezogen wurden, nicht nur eine „ganz kleine Gruppe von Alten und Nostalgikern“ waren, sondern ein bedeutender Teil der katholischen Gläubigen. Überzeugt von dieser Realität und bestärkt durch Tag für Tag gesammelte Zeugnisse, haben wir ein Werkzeug gesucht, um genau dieser Wirklichkeit angemessen Ausdruck zu verleihen. Wir fragten uns, wie kann man ans Licht bringen, daß es weder aufrichtig noch vernünftig ist, Katholiken, die der lateinischen und gregorianischen Liturgie anhängen, auf die alleinigen Gläubigen der Bruderschaft des Hl. Pius X. zu reduzieren, von denen man behauptete, daß sie „bestenfalls“ nicht mehr als 1 % der Gläubigen ausmachen?

Dem Beispiel folgend, das in Deutschland zu Beginn der 80er Jahre durch den damaligen Präsidenten der Una Voce, Éric de Saventhem, gemacht wurde, haben wir in Frankreich mit einem der größten Meinungsforschungsinstitute eine Umfrage realisiert. Die Ergebnisse dieser Meinungsumfrage durch das Institut „Ipsos“ übertrafen noch unsere unrealistischsten Hoffnungen! In der Tat, zu einer Zeit, wo man dauernd behauptete, daß die Messe nach dem Missale des sel. Johannes XXIII. verboten sei, bestätigten mehr als 20 % der praktizierenden Katholiken, ihren katholischen Glauben gerne im Rhythmus der traditionellen Liturgie ausüben zu wollen...

Seitdem haben wir zwei weitere ähnliche Umfragen in Frankreich durchgeführt. Eine weitere Umfrage fand im September 2009 in Italien statt. Sie hat das außerordentliche Resultat gezeigt, daß zwei von drei praktizierenden Katholiken bereit sind, an der alten Messe teilzunehmen. Wir haben auch begonnen in den Diözesen Umfragen durchzuführen, im Moment in Versailles und in Paris. Inzwischen haben wir ebenfalls eine solche Umfrage bei den Katholiken Deutschlands lanciert…
Wir erhalten so sukzessive einen recht guten Eindruck der kirchlichen Wirklichkeit: seit den wegweisenden Worten des Heiligen Vaters von 2007, würde mindestens einer von drei Katholiken, die regelmäßig die Sonntagsmesse in ihrer Pfarrei besuchen, an einer Messe teilnehmen, die gemäß der außerordentlichen Form zelebriert wird...

PL: Trotzdem zeigen sich zahlreiche Pfarrer nur wenig eifrig, diese Realität zu akzeptieren und die Einheit der Katholiken zu verwirklichen?

CM: Leider ist die Ideologie in einem großen Teil des Klerus und noch mehr im Episkopat sehr verbreitet! Man fährt weltweit fort, diese Frage der Einheit in einer Logik des Ausschlusses zur Sprache zu bringen: alle, die irgendwie an der zweitausendjährigen Tradition der Kirche festhalten, sei dies theologisch oder liturgisch, werden ignoriert oder mit Argwohn betrachtet.

Es ist höchste Zeit, daß diese Blindheit verschwindet und daß unsere Bischöfe davon Kenntnis nehmen, daß zahlreiche Gläubige, ihren Glauben im Rhythmus der außerordentlichen Form des römischen Ritus zu leben wünschen. So schwer und schmerzhaft diese Erkenntnis für einige unter ihnen auch sein mag, diese Bedingung ist unerläßlich. Seit wir unsere „internationalen Briefe“ herausgeben, haben wir feststellen können, daß auf allen fünf Kontinenten Bischöfe zu finden sind, für die „es keine liturgischen Probleme gibt“, „es keine Anfragen zur Anwendung des Motu Proprio gibt“, „die traditionelle Messe nur eine ganz kleine Anzahl von Gläubigen interessiert“ oder auch „das Motu Proprio lediglich dazu dient, die Probleme mit der Bruderschaft Sankt Pius X. zu regeln“... Diese Sicht der Angelegenheit ist zumindest undifferenziert.

Die ehrliche Beobachtung der Wirklichkeit, der Dialog auf diesem Gebiet und die Meinungsumfragen zeigen: während seit 40 Jahren nur eine ganz kleine Anzahl von Gläubigen ihrer Stimme gegen den Mißbrauch der Liturgie und die Pseudoverbote der traditionellen Messe Gehör verschafft haben, hat die überwältigende Mehrheit derjenigen, die der traditionellen Liturgie anhängen, in der Stille der Kirche gewirkt und geschwiegen. Einige haben entmutigt und irritiert aufgehört, zur Messe zu gehen, aber andere haben weiterhin ihre Pfarrei besucht, selbst wenn das ihr katechetisches und liturgisches Empfinden nicht selten verletzt hat.

Wenn mit der Publikation des Katechismus der Katholischen Kirche die Fragen der Katechese zum Teil geregelt worden sind, hätte die liturgische Frage mit der Publikation des Motu Proprio gelöst werden können. Unglücklicherweise ist das noch nicht der Fall. Sicher wird man nicht allen Bischöfen einen Geist der Auflehnung gegen das Motu Proprio unterstellen dürfen. Dennoch ist die Abwehr stark, und selbst eher wohlgesinnte Hirten haben die Tendenz, statt das Motu Proprio von 2007 ganz einfach anzuwenden (Zelebration der einen oder anderen Form des Ritus in den Pfarreien, speziell in den großen Pfarreien des Stadtzentrums), nun erst das Motu Proprio von 1988 allmählich einzuführen (punktuelle Genehmigung von nicht pfarrlichen Messen).

PL: Was sollen wir also von unseren Bischöfen erwarten?

CM: Ganz einfach, daß sie aufhören gegen den Papst Recht haben zu wollen und endlich annehmen, daß die seelsorglichen Bedürfnisse derjenigen Gläubigen, die dem Glauben und der traditionellen Praxis treu bleiben, anzuerkennen sind. Solange diese Gläubigen als solche zweiter Klasse oder sogar als „Problem“ angesehen werden, wird die kirchliche Einheit, der die Bischöfe eine so hohe Bedeutung beimessen, eine Absichtserklärung voller Heuchelei bleiben.

Ein erster Schritt, der sofort in Angriff genommen werden kann, wäre, daß alle bereits stattfindenden Zelebrationen der außerordentlichen Form des Römischen Ritus wirklich und großzügig an die Realität der Gläubigen angepaßt würden. Was soll das heißen? Ganz einfach, daß die Zelebrationen sonntäglich und regelmäßig stattfinden und zu familienfreundlichen Zeiten. Außerordentliche Form der Messe heißt ja nicht „zu möglichst außergewöhnlichen Bedingungen“, wie es unglücklicherweise häufig der Fall ist.

Außerdem sollten unsere Hirten – unsere Pfarrer in erster Linie, da ihnen das Motu Proprio die Verantwortung anvertraut, ohne daß sie eine Bittschrift an den Bischof richten müssen – pflichttreu und in einer vernünftigen Zeitspanne den Anfragen entsprechen, die an sie gerichtet werden, ohne Wenn und Aber. Respekt, Gehör und Wohlwollen, das ist es, worum wir unsere Pfarrer und Bischöfe bitten. Da dies Prinzipien sind, die sie selbst beständig im Munde führen, verlieren wir nicht die Hoffnung, nun endlich auch die Früchte dieser hehren Prinzipien nun auch in unseren Pfarreien zu sehen.

[1] Kampagne, die schließlich durch die Vorsehung gekrönt wurde, indem nun drei Sonntagsmessen in Einheit mit Rom in dieser Diözese zelebriert werden(, während es nach wie vor keine einzige in der benachbarten Diözese von Saint-Denis gibt).