Brief 3 veröffentlicht am 22 Januar 2010

Die Situation der außerordentlichen Form der Liturgie in Polen

Heute wendet sich Paix Liturgique der Umsetzung des Motu Proprio Summorum Pontificum in Polen zu. Dieser Bericht über die langsame Entfaltung der außerordentlichen Form der Liturgie in der Heimat Papst Johannes Pauls II. beruht auf Informationen, die uns dankenswerterweise Jan Filipe Libicki, Präsident der Una Voce Polens und Abgeordneter des polnischen Parlaments, sowie mehrere polnische Priester zur Verfügung gestellt haben.


I. Bilanz nach zwei Jahren Motu Proprio

Mit ungefähr 5000 Gläubigen, die der außerordentlichen Form der Liturgie besonders verbunden sind, erscheint das Interesse an dieser Liturgie im Vergleich zu den 40 Millionen Einwohnern Polens, von denen sich 90 Prozent zum katholischen Glauben bekennen, zunächst als eher dürftig. Jedoch haben die Möglichkeiten, die überlieferte Liturgie zu besuchen zwischen September 2008 und August 2009 in signifikanter Weise zugenommen: Die Anzahl der Orte an denen die klassische Liturgie gefeiert wird, hat sich von anfaenglich 15 Kirchen oder Kapellen gesteigert. Man zählt heute rund 50 Messorte und ebenso rund 50 Zelebranten, die zur Feier der hl. Messe in der außerordentlichen Form zur Verfügung stehen. Die Zahl der Sonntagsmessen liegt bei ca. 30.

Der überwiegende Teil der Messen in Polen wird in Kirche zelebriert, die keine Pfarrkirchen sind, sondern Konventen und anderen Gemeinschaften zugeordnet sind, weshalb der Großteil der Gläubigen, die es gewohnt sind, in ihrer Pfarrei die Messe zu besuchen, praktisch keine Gelegenheit hat, den früheren Ritus zu entdecken. Diejenigen, die die außerordentliche Liturgie besuchen, sind in der Regel Gläubige, die hierfür ein besonderes Interesse haben und bereit sind, sich im rechtzeitig über Zeit und Ort der Zelebration zu informieren. Im seltenen Fall jedoch, daß die außerordentliche Form der römischen Messe in einer Pfarrkirchen zelebriert wird, ist die Reaktion der Pfarrangehörigen durchweg positiv.

Im Klerus beobachtet man vor allem bei älteren Geistlichen, die ihre Ausbildung in den 60er Jahren erhalten haben, eine große Zurückhaltung, ja regelrechtes Desinteresse. Die jüngeren Priester und Seminaristen dagegen haben das Motu Proprio mit großem Interesse aufgenommen, auch weil sie sich dessen bewußt sind, daß bereits „ihr“ Papst Johannes Paul II. seinerzeit dem traditionellen Ritus eine größere Freiheit im Leben der Kirche eingeräumt hatte.

Von seiten der Hierarchie gibt es zwar keine offene Opposition, jedoch hat die Bischofskonferenz bereits im Oktober 2007 sehr restriktive Ausführungsbestimmungen veröffentlicht, die offensichtlich stark von denen der Deutschen Bischofskonferenz inspiriert sind. Auch wenn diese Regelungen die Zelebration der Messe nach dem Missale des sel. Johannes XXIII. nicht völlig unmöglich machen (seinerzeit wurde eine Messe in Lodz von heute auf morgen mit Verweis auf diese Bestimmungen unterdrückt), manifestiert sich in ihnen doch mehr ein Mißtrauen gegenüber einer unbekannten liturgischen Ausdrucksform als eine wirklich ideologisch motivierte Ablehnung.

Für viele der polnischen Bischöfe bezieht sich der päpstliche Text auf eine, wenn auch aktive, so doch sehr begrenzte Gruppe von Gläubigen und ist daher für das tägliche Leben der Pfarreien ohne jede Bedeutung. Dementsprechend bedarf es für die an der Zelebration der außerordentlichen Form der Liturgie interessierten Priester einer besonderen Entschlossenheit, um sich unter den gegebenen Umständen auch mit ihrem Wunsch durchzusetzen. Wenn sie genügend mutig und bestimmt sind, wird man sie in der Regel gewähren lassen. Einzig die Bischöfe von Lomza (Msgr. Stefanek) und Pelplin (Msgr. Szlaga) haben eine regelrechte Feindseligkeit gegenüber den Intentionen des Heiligen Vaters und den Bestimmungen seines Motu Proprio an den Tag gelegt.

Im allgemeinen sind die polnischen Bischöfe davon überzeugt, daß die Reform der Liturgie in ihrem Verantwortungsbereich korrekt durchgeführt worden ist. Diese Überzeugung basiert auf dem Eindruck, daß ernsthafte liturgische Mißbräuche eher selten zu beobachten sind. Daher versteht man das Motu Proprio als eine Maßnahme, die sich mehr an Länder richtet, wo liturgische Mißbräuche verbreitet sind, und betrachtet sich selbst als nicht davon betroffen. Dieses Desinteresse erklärt auch, warum, wenigstens im Augenblick, die Gemeinschaften unter der Autorität der Kommission „Ecclesia Dei“ keine breitere offizielle Anerkennung in Polen erfahren, auch wenn die Priesterbruderschaft St. Petrus in Krakau und das Institut vom Guten Hirten in Breslau präsent sind.

Das Desinteresse der Hierarchie gegenüber der außerordentlichen Form der Römischen Liturgie erklärt zu einem guten Teil die Bedeutung und Präsenz der Priesterbruderschaft St. Pius X. in Polen. Da bereits das Motu Proprio „Ecclesia Dei“ von 1988 praktisch nicht umgesetzt wurde (der Prophet gilt bekanntlich nichts in seiner Heimat, was hier selbst für Papst Johannes Paul II. gilt), haben die polnischen Bischöfe das Feld der FSSPX überlassen. Diese ist seit 1993 in Polen aktiv und versorgt mit heute sechs Priestern, darunter einem ehemaligen Jesuiten, zehn Zentren in Polen, wo Sonntagsmessen gefeiert werden.

Ein Zeichen der langsamen Öffnung zur von Papst Benedikt XVI. gewünschten liturgischen Erneuerung könnte freilich sein, daß im vergangenen Jahr immerhin vier polnische Bischöfe die hl. Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus gefeiert haben: Msgr. Waclaw Depo, Bischof von Zamosc-Lubaczow, Msgr. Pieronek, Bischof von Krakau, Msgr. Grzegorz Balcerek, Weihbischof in Posen, und Msgr. Artur Mizinski, Weihbischof in Lublin.

II. Kommentar von Paix Liturgique

1) Polen, Land einer großen katholischen Tradition, hat während 45 Jahren den Winter des Kommunismus erleiden müssen. Die Wahl von Kardinal Wojtyla zum Nachfolger des hl. Petrus im Jahr 1978 hat einen Frühling eingeleitet, der 1989 zum Untergang des kommunistischen Regimes geführt hat. Die Bedeutung Johannes Pauls II. ist daher für Polen nicht nur eine spirituelle, sondern er erscheint als Heros und Heiliger. Für viele Polen ist die Person Johannes Pauls II. so überragend, daß er für sie praktisch immer noch Papst ist. Die von Papst Benedikt XVI. eingeleitete Reform der Reform hat daher im Land des hl. Stanislaus noch nicht dasselbe Echo wie anderswo gefunden. Das Motu Proprio Summorum Pontificum, das vom Klerus praktisch nicht rezipiert wurde ist den Gläubigen weithin völlig unbekannt.

2) Auch wenn von rund 40 Diözesen nur vier Bischöfe ihre Offenheit gegenüber der außerordentlichen Form der Römischen Liturgie öffentlich bekundet haben, so darf man dabei nicht übersehen, daß es sich dabei, bis auf Msgr. Pieronek um vergleichsweise junge Bischöfe im Alter von unter 60 Jahren handelt. Msgr. Balcerek, unter anderem Mitglied er Liturgiekommission der Bischofskonferenz, hat dazu 2009 in Posen vor Seminaristen der Priesterbruderschaft St. Petrus und des Instituts vom Guten Hirten sehr klar ausgeführt: „Es ist nicht gut, die Kirche in eine vor- und eine nachkonziliare aufzuspalten, d. h. das Vergangene zurückzuweisen und nur das Neue zu glorifizieren.“ Kurz gesagt: in Polen, wie überall, zieht die außerordentliche Form der Liturgie die heranwachsenden Generationen und die katholischen Intellektuellen an.

/// Links

FSSP in Polen: www.fssp.pl
IBP in Polen: www.pastorbonus.pl
Meßzeiten: http://msza.net