Brief 59 veröffentlicht am 14 Juli 2015

Die außerordentliche Form: Ein Schatz für die ganze Kirche

Die französische Übersetzung des Buches „Divine Love Made Flesh“ [„Göttliche Liebe Fleisch geworden“] von Raymond Leo Kardinal Burke wird diesen Herbst unter dem Titel: „La Sainte Eucharistie Sacrement de l’Amour“ [„Die Heilige Eucharistie Sakrament der Liebe“] auf Französisch erscheinen. Diese Ausgabe wird ein bisher unveröffentlichtes Interview des Kardinalpatrons des Souveränen Malteserordens und des Abbés Claude Barthes, Kaplan der Pilgerfahrt „Summorum Pontificum“ nach Rom, beinhalten. Zum Anlass des achten Jahrestages der Veröffentlichung des Motu Proprio Benedikts XVI. Summorum Pontificums, legen wir Ihnen exklusiv Auszüge des Interviews mit Erlaubnis des Verlegers, Via Romana, vor.


(Sacra Liturgia 2015)

Abbé Claude Barthe: Eminenz, der 7. Juli 2015 ist der Jahrestag der Veröffentlichung des Motu Proprio Summorum Pontificum. Wäre es übertrieben zu sagen, dass dieser Text besonderes Wesensmerkmal des Pontifikats Benedikts XVI. ist?

Kardinal Raymond Leo Burke: Ja, ich stimme zu, dass in einem gewissen Sinne dieses Dokument der höchste Ausdruck Kardinal Ratzingers (nun Benedikt XVI.) Denkens ist. Es zeugt davon, wie sein Verständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils war. Tatsächlich, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (obwohl nicht durch die Lehre des Konzils selber bewirkt) gab es leider großflächigen Missbrauch, besonders bezüglich der Zelebration der Heiligen Liturgie. Im Apostolischen Brief Summorum Pontificum, kann man sehen, wie der Papst eine juristische Form gefunden hat, einen organischen Link zwischen dem Neuen und dem Alten herzustellen, zwischen der ordentlichen und der außerordentlichen Form.

CB: Dieser Text wurde 50 Jahre nach der liturgischen Krise verfasst – dieselbe Krise, von der Sie während der Summorum Pontificum Konferenz am 13. Juni 2015 in Rom gesprochen hatten, und die den Titel trug: „Ein Schatz für die ganze Kirche“. Sie sagten, dass schon 1970 das „Pferd ausgerissen war“. Hat das Motu Proprio einen Weg aus dieser Krise gefunden?

Kard. Burke: Ja, stellen wir hier nochmal fest, dass Benedikt von der ganzen liturgische Krise stark mitgenommen wurde, wie er es in seiner Autobiographie beschreibt. In einem Brief an die Bischöfe, die das Motu Proprio begleitet, führte er eine Zusammenfassung seiner Erfahrung an: „vielerorts nicht seiner Ordnung getreu gefeiert, sondern geradezu als eine Ermächtigung oder gar als Verpflichtung zur ‚Kreativität‘ aufgefasst wurde, die oft zu kaum erträglichen Entstellungen der Liturgie führte. Ich spreche aus Erfahrung, da ich diese Phase in all ihren Erwartungen und Verwirrungen miterlebt habe.“ Ich glaube, durch die Erlaubnis, die heilige Liturgie wiederzuentdecken, die für anderthalb Jahrtausenden in der römischen Kirche existiert hat, hat es Papst Benedikt XVI. möglichgemacht, den Missbräuchen entgegenzutreten und einen Angelpunkt für die Bereicherung der ordentlichen Form zu etablieren.
[…]

CB: Bezüglich der Bereicherung hat Kard. Cañizares [ehemaliger] Präfekt für die Kongregation für den Gottesdienst Benedikt XVI. Vorschläge vorgelegt, für den ad libitum Gebrauch älterer Offertoriums-Gebete in der ordentlichen Form, wie auch eine Beschränkung von Konzelebrationen. Was meinen Sie dazu?

Kard. Burke: Ich weiß nichts von solchen Vorschlägen, die Kard. Cañizares gemacht haben soll, aber ich stimme seiner Idee völlig zu, Gebete, die im Offertorium der außerordentlichen Form erhalten wurden, zu verbreiten, denn sie sind tiefe Ausdrücke des großen Opfer-Geheimnisses, das zelebriert wird. Alles in der Messe muss die Aufmerksamkeit auf das göttliche Wirken lenken, das auf dem Altar vollzogen wird, das gilt besonders dem, was diese Gebete vermitteln. Kardinal Sarah, der neue Präfekt für den Gottesdienst hat einen wichtigen Artikel diesbezüglich im Osservatore Romano am 12. Juni geschrieben und erklärt, dass es wünschenswert wäre, den Bußritus (womit er das Stufengebet meint) und das Offertorium des usus antiquior als Anhang in zukünftige Ausgaben des Missales einzufügen. Das Stufengebets oder genauer der Psalm 42 der Vulgata („Zum Altare Gottes will ich treten, zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf“) wurde vom jüdischen Priester gesungen, bevor er in den Tempel Jerusalems einging als er dem Altar zugewendet war, und ist daher ein schöner Ausdruck der Einheit der Anbetung „in Geist und Wahrheit“ (Joh 4, 23) des Neuen Bundes und des Kultes des Alten Bundes, indem der neue Gotteskult den alten vervollkommnet.
[…]

CB: Benedikt XVI. wollte mit der Wiedereinführung der Messe in ihrer traditionellen Form – des Missales Johannes XXIII. von 1962 – einen Angelpunkt für die ganze Kirche setzen?

Kard. Burke: Ja, wir sollten die außerordentliche Form als einen Schatz sehen, der seit Jahrhunderten gehütet wird. Dieser Ritus ist wesentlich mit dem Ritus des hl. Gregors des Großen identisch.

CB: …und das passt gerade der Kirche mit ihrem Leben heute. Sie insistieren oft das lex orandi lex credenti auf die Neuevangelisierung bzw. Wiederevangelisierung anzuwenden.

Kard. Burke: Das lex orandi hängt immer eng mit dem lex credendi zusammen. Wie ein Mann betet, ob er es gut tut oder nicht, so glaubt er auch, gut oder weniger gut, und so benimmt er sich auch, gut oder weniger gut. Die heilige Liturgie ist auf jeden Fall der erste Akt der Neuevangelisierung. Wenn wir Gott nicht im Geist und in der Wahrheit anbeten, wenn wir die Liturgie nicht mit dem größtmöglichen Glauben feiern, besonders wegen des göttlichen Wirkens, das während der Messe stattfindet, dann können wir nicht die notwendige Inspiration und Gnade erhalten, um an der Evangelisierung teilzunehmen. Die heilige Liturgie beinhaltet eine Zusammenfassung der Form der Evangelisierung bis zum Ausmaß, dass eine direkte Begegnung mit dem Geheimnis des Glaubens ist, das wir den Seelen weitergeben müssen, zu denen Gott uns führt.
Durch sich selbst kann die Liturgie zum Wissen und zum Geheimnis des Glaubens führen. Nun, wenn die Liturgie auf anthropozentrische Weise zelebriert wird, wenn sie nur zu einer rein soziale Aktivität reduziert wird, dann wird sie keinen bleibenden Eindruck auf unser geistiges Leben hinterlassen. Eine würdig zelebrierte Messe hat den Menschen immer das Geheimnis der Erlösung offenbart. Aus diesem Grund glaube ich, dass die Messe in der außerordentlichen Form eine wirklich wichtige Rolle in der Neuevangelisierung spielen kann, denn sie legt den Schwerpunkt auf die Transzendenz der göttlichen Liturgie. Sie hebt die Wirklichkeit der Einheit von Himmel und Erde hervor, die in der göttlichen Liturgie ausgedrückt wird. In der außerordentlichen Form ist das Wirken Christi durch die sakramentalen Zeichen verdeutlicht und durch den Priester, der sein Instrument ist. Des Weiteren hilft sie uns auch, in der Zelebration der ordentlichen Form respektvoller zu sein. Jeder sieht die Dringlichkeit dieser Evangelisierung in einer Welt, die heute so lebt, als würde Gott nicht existieren. Es ist wichtig, diese Neuevangelisierung mit der bestmöglichen Zelebration der Liturgie zu verknüpfen. Ich bin vielen Atheisten oder nicht-Christen begegnet und habe gesehen wie sie Gottes Wirken gewahr wurden, indem sie die Messe in der außerordentlichen Form entdeckten. Später hat diese Erfahrung es ihnen erlaubt, religiöse Bildung zu erhalten. Viele Menschen haben verstanden, dass der Priester in persona Christi agiert. Sie haben verstanden, dass es Christus selber ist, der auf den Altar hinunter kommt, um das Opfer des Kreuzes gegenwärtig zu setzen. Sie haben verstanden, dass sie ihr Herz mit seinem durchbohrten Herzen vereinen müssen, um gereinigt zu werden und um in ihnen die Liebe zu Gott und zum Nächsten zu entfachen. Wir müssen Menschen in diesen tiefen Geheimnissen der Messe unterrichten, besonders mit der außerordentlichen Form des römischen Ritus.

CB: Bezüglich der Beziehung zwischen Lehre und Liturgie: es wird oft gesagt, dass Semianristen, die von der außerordentlichen Form angezogen werden, auch den Wunsch nach einer wirklich strukturierten theologischen Bildung hegen. Es muss gesagt werden, dass die traditionelle Form in Frankreich beispielsweise viele Seminaristen anzieht.

Kard. Burke: Nun, in Deutschland auch und in den USA und auch in Italien. Es wurde immer gesagt, dass Italiener nicht von der traditionellen Liturgie angezogen werden: das ist absolut nicht wahr. Wenn es um Seminaristen geht, war ich Erzbischof von Saint Louis, zur Zeit in der Benedikt XVI. Summorum Pontificum veröffentlicht hat und ich ordnete sofort an, dass alle Seminaristen in der außerordentlichen Form, seines Ritus und seiner Spiritualität unterrichtet werden sollten, und dass sie einmal die Woche im Seminar gefeiert werden solle. Ich bat auch die Seminaristen mit Hang zum Latein darum, die außerordentliche Form zu lernen. All diese Regeln wurden gut angenommen und haben in der Diözese reiche Frucht gebraucht, glaube ich.

CB:…Weil die Jugend diese Messe mag.

Kard. Burke: Ja. Papst Benedikt sagte den Bischöfen, dass sie von der alten Generation her Anfragen für die Alte Messe haben werden, aber es war das Gegenteil der Fall; es waren die jungen Menschen, die diese liturgische Form entdeckten und von ihr angezogen wurden und in ihr eine Form fanden mit dem Geheimnis der Eucharistie in Kontakt zu treten, das ihnen ganz angepasst war. Wenn auch immer ich die traditionelle Messe selber feiere, dann sehe ich viele schöne junge Familien mit vielen Kindern, die daran teilnehmen. Ich glaube nicht, dass diese Familien irgendwelche Probleme haben, sondern dass sie sich gestärkt und erbaut fühlen. Mich hat immer die Anzahl der jungen Teilnehmer der außerordentlichen Form der Messe verwundet. Und das hat nichts damit zu tun, ob die außerordentliche Form gültiger wäre als die ordentliche Form. Sie werden angezogen, denn sie ist reich und konzentriert die Aufmerksamkeit darauf, was auf dem Altar passiert.

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Ein Aufruf zur Pilgerfahrt Summorum Pontificum

Das „Coetus Internationalis Summorum Pontificum“ hat eine neue Initiative ins Leben gerufen: „crowdfunding“, um einen Video-Übertragung der kommenden Pilgerfahrt „Populus Summorum Pontificum“ zu ermöglichen, das vom 22. bis 25. Oktober 2015 in Rom stattfinden wird. Wir laden Sie herzlich dazu ein, daran mitzuwirken.

>>> http://www.kisskissbankbank.com/it/projects/ad-petri-sedem