Brief 60 veröffentlicht am 30 Juli 2015

Kardinal Sarahs Meinung zum Motu Proprio Summorum Pontificum

Im frühen März 2015 besuchte der Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung für einige Zeit die Gegend um Paris, um ein Interview in Buchlänge mit Journalist Nicolas Diat, erschienen im Verlag Fayard, zu bewerben. Der Titel des Interviewbuches lautet „God or Nothing“ – Gott oder Nichts – und präsentiert ein gleichermaßen feinfühliges wie berührendes Portrait einer der unauffälligsten dennoch wichtigsten Prälaten des derzeitigen Pontifikats.

Was wie eine Werbetour aussah hatte einen tieferen Sinn. Kardinal Sarah wollte mehr Zeit mit den Gläubigen verbringen, als nur der Presse zuzuspielen. In jeder Pfarrei, die er besuchte, vertiefte er ein einzelnes Thema seines Buches. Natürlich diskutierte er vor allem die Liturgie, in einer Vorlesung in der Pfarrei von Saint Eugène-Sainte Cécile, einer Pfarrei, in der in den letzten 30 Jahren beide Formen des römischen Ritus zelebriert wurden.

Wir geben Ihnen einen Vorgeschmack der Meinung des Kardinals aus Guinea über das Motu Proprio Benedikts XVI. „Summorum Pontificum“, wie sie in Nicolas Diats Buch beschrieben wird. Diese Meinung untermauert, was wir im Brief 55 über die Nominierung Kardinal Sarahs geschrieben haben: „Der Heilige Vater hat den Frieden gewählt, Kontinuität und Kompetenz.“




KARDINAL SARAHS MEINUNG ZUM MOTU PROPRIO
Auszüge aus „Gott oder Nichts“, Interview mit Nicolas Diat (Paris, Fayard 2015), 400-402, Übs. Von Paix Liturgique

Ich für meinen Teil habe das Motu Proprio mit Vertrauen, Freude und Dankbarkeit empfangen. Es ist sozusagen das Zeichen und der Beweis, dass die Kirche – Mater et Magistra – auf alle ihre Kinder achtet und ihre Vorzüge in Betracht zieht. Benedikt XVI. wollte den Reichtum der verschiedenen geistlichen Ausdrücke fördern, so lange eine wirkliche und wahre kirchliche Gemeinschaft gewahrt bleibt, und die Heiligkeit der Kirche auf hellere Weise erstrahlen kann.

Ich glaube, es ist sehr schön, dass das Motu Proprio die gleiche Linie beibehält, die die Konzilsväter eröffnet hatten. Wahrlich lassen sie uns nicht vergessen, das Sacrosanctum Concilium erklärte: „Denn die Liturgie enthält einen kraft göttlicher Einsetzung unveränderlichen Teil und Teile, die dem Wandel unterworfen sind. Diese Teile können sich im Laufe der Zeit ändern, oder sie müssen es sogar, wenn sich etwas in sie eingeschlichen haben sollte, was der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht oder wenn sie sich als weniger geeignet herausgestellt haben.“

In dem Brief, der Summorum Pontificum begleitete, schrieb Benedikt XVI.: „Im Übrigen können sich beide Formen des Usus des Ritus Romanus gegenseitig befruchten: Das alte Meßbuch kann und soll neue Heilige und einige der neuen Präfationen aufnehmen. Die Kommission Ecclesia Dei wird im Kontakt mit den verschiedenen Institutionen die sich  dem usus antiquior widmen,  die  praktischen Möglichkeiten prüfen. In der Feier der Messe nach dem Missale Pauls VI. kann stärker, als bisher weithin der Fall ist, jene Sakralität erscheinen, die viele Menschen zum alten Usus hinzieht. Die sicherste Gewähr dafür, daß das Missale Pauls VI. die Gemeinden eint und von ihnen geliebt wird, besteht im ehrfürchtigen Vollzug seiner Vorgaben, der seinen spirituellen Reichtum und seine theologische Tiefe sichtbar werden läßt.“

In der Feier der Messe dem alten Missale entsprechend, haben wir vermutlich die Messe mehr als einen Akt Christi verstanden, als der eines Menschen. Gleichermaßen ist ihr geheimnisvoller und mystagogische Charakter unmittelbarer empfindbarer. Selbst wenn wir aktiv an der Messe teilnehmen, ist sie nicht unser eigen, sie gehört Christus. In seinem Apostolischen Schreiben „Vicesimus Quintus Annus“ fragte Johannes Paul II. nach dem Sinn der aktiven Teilnahme und was mit ihr ausgedrückt werden soll. Leider wurde dieser Ausdruck oft missvertanden und auf seinen äußeren Sinn beschränkt, mit anderen Worten, eines gemeinsamen Tuns, so als ob der Zweck wäre, so viele Leute wie möglich, so schnell wie möglich zu einer konkreten Tat zu bewegen. Das Wort Teilnahme bezieht sich aber auf die zentrale Handlung, an der alle teilnehmen müssen. Wenn wir daher entdecken wollen, was diese Handlung bedeutet, dann müssen wir uns deutlich vor Augen halten, was die zentrale „actio“ überhaupt ist, an der alle Mitglieder der Gemeinde Anteil haben müssen… Der Begriff „Actio“ – wenn er sich auf die Liturgie bezieht – richtet unser Verständnis auf die Quelle des eucharistischen Kanons. Wahres liturgisches Handeln ist „oratio“. Dieses feierliche liturgische oratio-Gebet, der Kanon, ist weitaus mehr als einfach nur Sprache, es ist eine „Handlung“ im tiefsten Sinne des Wortes. Wahrlich, das menschliche Handeln tritt in den Hintergrund und macht dem göttlichen Handeln Platz, d.h. dem Handeln Gottes. [1]

Das Motu Proprio Summorum Pontifikum versucht die zwei Formen des römischen Ritus miteinander zu versöhnen und setzt sich zum Ziel, die Sakralität der Heiligen Messe als actio Dei und nicht als menschliches Handeln wiederzuentdecken. Dies ist ein wirklich wichtiger Punkt: Das Problem des weitverbreiteten interdisziplinären Fehlen von Respekt und Treue zum Ritus. Dies kann sogar im Extremfall die Gültigkeit der Sakramente in Frage stellen.


[1] Diese Überlegungen stammen von Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.) selber, in Geist der Liturgie, und weniger von Johannes Pauls II. „Vicesimus Quintus Annus”