Brief 50 veröffentlicht am 30 September 2014

Die dringende Bitte von Jean Madiran: „Heiligster Vater, geben Sie den Katechismus den kleinen Kindern wieder!“

Lassen Sie sich von der geistlichen Not der kleinen Kinder berühren: geben sie ihnen die katholische Messe wieder, heiligster Vater, die traditionelle Ausgabe des römischen Katechismus, und die klassische Interpretation der Bibel. Wenn Sie es nicht in dieser Welt tun, dann werden sie nach ihnen in Ewigkeit dürsten…“

Jean Madiran,
Brief an Paul VI., Oktober 1972



Am 31. Juli 2013 rief Gott einen seiner hingebungsvollsten Kämpfer zurück zu sich, den französischen Autoren und Journalisten Jean Madiran. Ein Jahr nach seinem Tod möchten wir ihm und seiner ständigen Bemühung um einen Katechismus für Kinder mit einem Nachruf gedenken.




I – Die „Vacatio Catechismi“ dauerte schon viel zu lange!



„Für mehr als ein halbes Jahrhundert gab es keinen offiziellen ‚kleinen Katechismus‘ für getaufte Kinder in der katholischen Kirche.“ Mit diesem Satz schloss Jean Madiran einen seiner letzten Artikel für die Tageszeitung Présent vom 8. Februar 2013. Bis zu seinem Todestag also verfolgte der Gründer der Zeitschrift Itinéraires unermüdlich das Ziel die Gläubigen gegen „das weitverbreitete Versagen der kirchlichen Autoritäten“ (Réclamation au Saint-Père [Beschwerde an den Heiligen Vater], NEL, 1974, S. 17) zu schützen. Über vierzig Jahre nach seinem Brief an Papst Paul VI. und zwanzig Jahre nach dem Johannes Paul II. den neuen Katechismus der Katholischen Kirche (CCC) (11. Oktober 1992) veröffentlicht hatte, hatte Jean Madiran seine Belagerung nicht aufgegeben und verlangte weiterhin nach einem religiösen Unterweisungsdokument für getaufte Kinder. Man sollte erwähnen dass unter Kardinal Ratzinger ein Kompendium des CCC (2005) sowie ein Jugend-Katechismus YouCat (2011) veröffentlicht wurde, aber keine dieser Handreichungen deckte den „Mangel an einen Katechismus für kleine getaufte Kinder“, eine Situation, die Madiran eine „Vacatio catechismi“ nannte, bei der „kein Ende in Sicht ist“.



Gleich seit den ersten Kampagnen, Informationen zu verbreiten und Überlegungen über die direkten und indirekten Konsequenzen des Zweiten Vatikanischen Konzils anzustellen, erklärte Madiran, dass in dem Moment, in dem die Kirchenhierarchie Änderungen an der Bibelauslegungen, dem Katechismus und der Messe macht, sie das „tägliche Brot“ der Gläubigen verändere. Aber wer hat mehr Hunger auf das tägliche Brot als junge getaufte Kinder? Madiran schrieb diesbezüglich am 8. Februar: „die Saat verwelkt und stirbt“, weil es keinen Katechismus gibt.



Madiran schrieb noch schärfere Worte in seinem Brief an Paul VI.: „Lassen Sie sich von der geistlichen Not berühren. Christliche Kinder werden nicht mehr herangebildet: sie werden durch ihre Methoden, Praktiken und Ideologien alleine gelassen, alles Aspekte, die auch in der kirchlichen Hierarchie eingedrungen sind.“ Im Jahr 1972 schreckte Madiran nicht davor zurück, den französischen Bischöfen vorzuwerfen, „den Katechismus zu verfälschen“ (Beschwerde an den Heiligen Vater, S. 22)“. Und tatsächlich, das Fehlen eines offiziellen Katechismus zwischen den Jahren 1965 und 1992 brachte das französische Episkopat dazu, jungen Getauften und ihren Katecheten eine „Wegweisung, eine „Verpflichtende Grundlage“ und „Referenztexte“ [*] vorzulegen.



Das Resultat: „Ein schwarzes Loch wurde gegraben: zwei Generationen wurden nicht im Katechismus ausgebildet, außer durch Spiele und Hausaufgaben die von gut-gewillten aber inkompetenten Frauen erstellt wurden, die bestenfalls von den „Wegweisungen“ inspiriert worden waren.“ Diese Diagnose, die wir im Brief 228 vom 1. Mai 2010 vorlegten, indem wir Jean Madirans Buch „Geschichte des Katechismus (1955-2005) vorstellten, wird jetzt auch von der Kirche bestätigt. Die Krise des Katechismus ist eine der auffälligsten der Kirche in Krise und genauer, des lex credendi. Als Benedikt XVI. das Jahr des Glaubens einberief, schrieb er im Motu Proprio Porta Fidei, dass das Jahr „einen einhelligen Einsatz für die Wiederentdeckung und das Studium der grundlegenden Glaubensinhalte zum Ausdruck bringen soll, die im Katechismus der Katholischen Kirche systematisch und organisch zusammengefasst sind“.



Wegen dieses Zusammenhangs von lex credendi und lex orandi, die der ehemalige Papst tausend mal wiederholte, wird sich niemand darüber wundern, dass die katechetische Krise auf der einen Seite eine liturgische Krise auf der anderen Seite mit sich bringt. Dies ist der Fall, welche liturgische Form man auch untersuchen mag. In Frankreich ist die katechetische Frage bei den Unterstützern einer würdigen Zelebration der ordentlichen Form (mit dem Missale Paul VI.) wie Pro Liturgia und die Gemeinschaft „Saint Martin“ genauso dringlich, wie bei den Förderern der außerordentlichen Form. In vielen anderen Pfarreien – immer weniger versteckt, wie man sieht – wächst der Nutzen von „traditionellen“ Materialien, die seit Generationen an jungen getauften Katholiken erfolgreiche Anwendung fanden. Die Priesterbruderschaft St. Petrus, die sich seit Jahren diesem „katechetischen Notstand“ als einer Priorität ihres Apostolates angenommen hat, macht kein Geheimnis daraus, dass ihr Katechismus-Kurs Les Trois blancheurs, eine weitere Leserschaft anwerben will, als nur Mitglieder der „Ecclesia Dei“-Familie.



Die Situation in Seminaren trifft auch auf die Situation des Kinderkatechismus zu: die nachkonziliaren Jahre haben den Tisch leer gefegt von Dingen, die seit Jahrhunderten die christliche Gesellschaft gestärkt hatten. Heutzutage geht die Tendenz eher dahin, dass die Nachfrage das Angebot regelt. In geistlicheren Worten: die Ortskirchen streben mit verschiedenen Intensitäten des Enthusiasmus danach, die dringende Not der Seelen zu stillen, mit den jedoch begrenzten Mitteln, die von Rom zur Verfügung gestellt werden. Wenn es zum Katechismus kommt, dann verletzen diese begrenzten Mittel die Schwächsten, diejenigen, die am meisten nach Jesus hungern: die kleinen Kinder, die, seit mehr als 50 Jahren, offiziell keinen Kinderkatechismus hatten.




II – Die Kommentare von Paix Liturgique



1) Wenn nach einem Beweis gesucht wird, warum die katechetischen Lehrmethoden wichtig seien, so hat sie Kardinal Ratzinger in seiner Einleitung zum Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche im Jahre 200 gegeben: „Ein zweites Merkmal des Kompendiums ist seine dialogische Form, die eine alte literarische Gattung der Katechese wieder aufgreift, welche aus Fragen und Antworten besteht. Es geht darum, eine Art Dialog zwischen dem Meister und dem Jünger darzustellen. Die rasch aufeinander folgenden Fragen reißen den Leser mit und laden ihn ein, immer neue Aspekte der Wahrheit seines Glaubens zu entdecken. Die dialogische Form trägt auch dazu bei, den Text beträchtlich zu kürzen und auf das Wesentliche zu beschränken. Dies könnte die Aneignung und das eventuelle Auswendiglernen der Inhalte fördern.“



2) Wenn es um den Katechismus geht, dann zeichnet sich ein bestimmtes historisches Phänomen ab, das sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil deutlich verschlechtert hat: die Ablehnung der klassischen Pädagogik in allen Teilen der Gesellschaft als Nachwirkung des Mais 1968. Die neuen Pädagogien, die so viel Zerstörung bei den Schuldkindern angerichtet haben, hatten auch einen Einfluss auf den Katechismus. In der Geschichte des Katechismus (1955-2005) zeigt Madiran perfekt, wie die katechetischen Instrumente der 70er und 80er Jahre, und diejenigen, die sie anwandten, wissentlich die Katechumenen von den Wahrheiten des Glaubens fernhielten, um die „Erfahrung des Glaubens“ zu fördern. Dabei geht es um eine subjektivistische Beziehung mit Christus, der vorher „Sohn Gottes“ war, jetzt nur noch zum „netten Kumpel Jesus“ degradiert wurde. Unter dem Anschein Religion Kindgerechter und gesellschaftstauglicher zu machen, wurde der verblüffende Katechismus ohne Vaterunser und Glaubensbekenntnis geschaffen, eine Katechese ohne Katechese-Inhalt!



3) Des Weiteren, so schreibt Jean Madiran in seiner Geschichte des Katechismus (1995-2005), gab es eine übertriebene Fixierung auf die erwachsenen Katechese, hinter die die getauften Kinder hinten anstehen mussten.“ Dies war eine andere schwere Sünde der nach-konziliaren Katechese: die Priorität die den nicht-katholischen Erwachsenen gegeben wurde, anstelle sich um die getauften Jugendlichen und katholischen Familien zu kümmern, gerade in dem Moment als ein einseitiger Begriff der Ökumene Verbreitung fand, der lehrte, dass es nutzlos sein zu „konvertieren“.



4) Aus dieser zweifachen Perspektive hat vierzig Jahre danach der Brief von Jean Madiran an Paul VI. seine volle Relevanz behalten: er bat den Heiligen Vater darum, „den römischen Katechismus zurückzugeben: den Katechismus, den die Kirche seit tausend Jahren nutze und imKonzil von Trient kanonisierte; in dem steht, dass drei Elemente für das Heil notwendig sind (wie die Sakramentenlehre, ohne die diese drei Punkte unfruchtbar blieben).“ Wenn es zum Katechismus kommt, besonders dem Kinderkatechismus, gab es eine zu große Sorge (in Madirans Untersuchung der Geschichte des Katechismus) „zu versuchen, die Nöte der modernen Welt anzusprechen, die ihren eigenen Weg geht, ohne das Bedürfnis nach einem Vaterunser, dem Glaubensbekenntnis, den Zehn Geboten oder den Sakramenten.“



5) In jeder Hinsicht ist unsere Bemühung um die Erneuerung einer würdigen und Gott-zentrierten katholischen Liturgie mit der Wiedereinsetzung eines vollständigen katholischen Katechismus untrennbar vereint. Eine der Gründe für die Anziehung der außerordentlichen Form auf so viele junge Katholiken, „Neustart“-Katholiken oder Konvertiten ist der theologische Reichtum, den die Liturgie ausdrückt, und nach der alle Gläubigen dürsten. Im Gegensatz dazu kann man sagen, dass viele ordentliche Katholiken eine intuitive Ablehnung der traditionellen Liturgie haben, weil sie mehr oder weniger bewusst fühlen, dass das Fehlen einer doktrinellen Vorbereitung zu dieser lex orandi fehlt, die ein lex credendi ausdrückt, das ihnen fremd ist. Eine nachhalte Entwicklung der außerordentlichen Form in usnere n Pfarreien kann nicht ohne die Wiederentdeckung des Katechismus geschehen. Wir haben viel zu tun – aber es geht um das Brot des Lebens.




[*] „Verpflichtende Grundlage“, „Referenztexte“ und „Wegreichungen“ sind einige der französischen Katechismusmaterialien, mit denen die vorkonziliaren Katechismen ausgetauscht wurden, in den 60er, 70er und 80er Jahren.