Brief 42 veröffentlicht am 10 Februar 2014

WIR SIND NICHT ALLEIN

Predigt von Kardinal Castrillón Hoyos für die Teilnehmer an der Pilgerfahrt Summorum Pontificum im Petersdom

Im Folgenden veröffentlicht Paix Liturgique den Text der Predigt Seiner Eminenz Kardinal Castrillón Hoyos während der am 26. Oktober 2013 anlässlich der zum zweiten Mal veranstalteten Romwallfahrt des „Coetus Internationalis pro Summorum Pontificum“ im Petersdom zelebrierten hl. Messe. Wie wir im vergangenen Monat bereits erwähnten (link), verlas Msgr. Pozzo, Sekretär der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, unmittelbar zuvor die von Papst Franziskus an die Pilger des „Coetus Internationalis Summorum Pontificum“ adressierte Botschaft. Die Predigt von Kardinal Castrillóns ist ein weiterer Beitrag dieses großen um den Frieden und die Einheit des christlichen Volkes bemühten Dieners der Kirche, der uns mit großer Dankbarkeit erfüllt.



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Gelobt sei Jesus Christus!

Es ist mir eine Freude, die Teilnehmer an der Pilgerfahrt „Ad Petri Sedem“ aus Anlass des Jahres des Glaubens begrüßen zu dürfen.

Der heutige Tag gibt uns Grund zu besonderer Freude. In diesem Jahr des Glaubens danken wir dem Heiligen Vater Franziskus, denn er ist, um es mit den Worten der Evangelisten zu sagen, das sichtbare Haupt der auf dem Felsen Petri erbauten Kirche.

Liebe Gläubige, der heilige gregorianische Ritus, dem mit der Verbreitung des Motu Proprio „Summorum Pontificum“ vor ungefähr sechs Jahren gewissermaßen neues Leben eingehaucht wurde, hat dem christlichen Volk die Möglichkeit zurückgegeben, die mit seiner Feier verbundenen geistlichen Früchten zu genießen.

Dieser Überzeugung stets eingedenk, möchten wir heute aus Ergebenheit dem Vicarius Christi gegenüber im größten Tempel der Christenheit einen Weiheakt an Christus, den König und Herrscher des Universums, durch die Hände der Allerheiligsten Jungfrau Maria vollbringen.

Das Evangelium des hl. Lukas lehrt uns, wie sich das Heilsmysterium aufgrund der Treue zu Gott in der persönlichen Geschichte eines jeden einzelnen von uns verwirklicht. Das zweifellos leuchtendste Beispiel für diese Sehnsucht nach Heiligkeit ist dabei die Mutter Gottes.

Zwar ist die unvergleichliche Tugend der Allerheiligsten Jungfrau sicherlich ein unerreichbares Vorbild für uns dar, doch zugleich können wir uns durch die Weihe an diese Mutter aller Gnaden jene übernatürlichen Güter sichern, die nur sie durch ihre Demut und ihren Gehorsam zu Gott verdient; sie, die nicht nur auf einzigartige Weise beschenkt ist, sondern selbst zur Spenderin wird: „Ich fasste Wurzel bei einem ruhmreichen Volk, im Eigentum des Herrn, in seinem Erbbesitz.“ (Sir, 24, 12). Mit diesem Worten des mystischen Trostes beschreibt das Buch Sirach die immerwährende Anwesenheit der Mutter bei ihren Kindern und die Vermittlung jeder ihr eigenen Gnade.

„Durch diese Teilnahme am Leiden und Willen Christi verdiente Maria, dass auch sie mit Recht ‚die Wiederherstellerin der verlorenen Menschenwelt‘ wurde und deshalb auch zur Ausspenderin aller Gnadenschätze, die Christus durch seinen Tod und sein Blut erkaufte, berufen wurde.“ (vgl. hl. Pius X, Enzyklika Ad diem illum laetissimum, anlässlich der 50. Jubelfeier der Dogmenverkündigung der Unbefleckten Empfängnis).

Im Traktat über die wahre Hingabe Mariens des hl. Louis Marie-Grignion de Montfort wird die zentrale Rolle der Allerheiligsten Maria in der Heilsgeschichte, im Leben der Kirche und im Leben eines jeden einzelnen von uns mit den folgenden Worten vortrefflich auf den Punkt gebracht: „Der Allerhöchste hat sie daher zur einzigen Schatzmeisterin aller seiner Reichtümer und zur einzigen Ausspenderin seiner Gnaden erwählt, damit sie jeden mit göttlichem Adel schmücke, erhöhe und bereichere, wen sie wolle.“ (Traktat über die wahre Hingabe an Maria, Nr. 24).

Dem Gedanken der universellen Mittlerschaft des Heils– in Erweiterung des ewigen Planes des Allmächtigen – widmete hl. Louis de Montfort die folgende Betrachtung: „Vermöge der Macht, die sie dazu von Gott erhielt, schenkt sie seitdem, wie der heilige Bernhard lehrt, die Gnade des ewigen Vaters, die Tugenden Jesu Christi und die Gaben des Heiligen Geistes, wem sie will und wie sie will, wann sie will und soviel sie will.“ (Ibidem., Nr.  25)

Im Jahr des Glaubens lädt uns die Kirche dazu ein, besonders jene Frau zu betrachten, die als erste – und auf höchster Stufe – an das Wort des Herrn geglaubt hat; so sehr, dass sie als Miterlöserin im Heilsplan verehrt wird durch den Tod und die herrliche Auferstehung des Sohnes Gottes, den sie jungfräulich empfangen hat.

„Die Mutter des Herrn ist die vollkommene Ikone des Glaubens, wie Elisabeth sagte: ‚ Selig ist die, die geglaubt hat‘ Lk 1,45)“ (Papst Franziskus, Enz. Lumen Fidei, Nr.  58).

Suárez zitierend, schreibt „Doktor Zelantissimus“: „…die heiligste Jungfrau hatte mehr Glauben als jeder Mensch und jeder Engel. Sie blickt ihr Kind im Stall von Bethlehem an, und sie glaubte, dass er der Schöpfer der Welt war… Sie blickte ihn schließlich während seines schandhaften Todes am Kreuz an, während aber andere ihren Glauben aufgaben, beharrte Maria standhaft darauf, dass er Gott ist“ (Hl. Alfons Maria de Liguori, Die Herrlichkeit Mariens, Teil II, III, §4, Vom Glauben Mariens).

Der ehrwürdige Papst Pius XII. lädt uns zur Verehrung des Namens der Jungfrau ein und deren vorbildhaftes, redliches und mit jeder Tugend gekröntes Leben nachzuahmen.

„Der Name Mariens, süßer als Nektar, kostbarer als irgendein Edelstein, sei Gegenstand größter Verehrung… Niemand halte sich als Kind Mariens für würdig, unter ihren Schutz aufgenommen zu werden, wenn er nicht nach ihrem Beispiel gütig, gerecht und rein ist und wenn er nicht mit Liebe wahre Brüderlichkeit übt und ohne jemand Unrecht zu tun, im Gegenteil Hilfe und Trost bringt.“ (Enz. Ad Caeli Reginam, 48-49).

Mit dem Heiligen Vater Franziskus erflehen wir die Fürsprache der Mutter des Herrn und unserer Mutter, damit sie unseren Glaube behüte und uns dabei helfe, wahre Jünger Jesu zu sein, Liebende des Friedens: „Im Gebet wenden wir uns an Maria, die Mutter der Kirche und die Mutter unseres Glaubens. …Hilf, o Mutter, unserem Glauben! …Erinnere uns daran: Wer glaubt, ist nie allein“ (Franzikus, Enz. Lumen Fidei, Nr. 60).

Lieber Heiliger Vater, hier in Ihrer päpstlichen Basilika, von diesem Altar Ihrer Kathedra, versichern wir Pilger Ihnen dass wir uns heute weniger denn je alleine fühlen. Nein, Heiliger Vater, wir sind Ihre Kinder und wir hoffen auf Ihren Beistand, wir sind unter Ihrem schützenden Blick, dem Blick eines liebenden Vaters, wir befinden uns in Gemeinschaft mit unserer Mutter im Himmel. Wir sind nicht alleine, wenn wir den Alten Ritus feiern, der jahrhundertelang eine Geschichte der Heiligkeit begleitet hat. In diesem heiligen Ritus fanden tausende von Heiligen im Schweigen und durch das Geheimnis die innige süße Begegnung mit Gott, und auch heute empfinden wir keine bittere Einsamkeit. Vielmehr werden wir, vereint mit allen Brüdern auf der ganzen Welt in der Umarmung des Papstes, unseres Vaters in Rom, mit Freude erfüllt. Doch das ist nicht alles!

Auf dem großen Petersplatz der universalen Gastfreundschaft teilen wir die brüderliche Wärme der menschlichen Natur und können uns in der freudigen Hoffnung wähnen, an den Tränen und am Schluchzen der Gläubigen und Nichtgläubigen, Christen und Nichtchristen, Anteil zu nehmen.

Lasst uns nun aus diesem Quell der Liebe, dem Rom von Papst Franziskus, auf die Straßen der Welt strömen, um die Frohe Botschaft Christi, des Sohnes der Mutter und Gottes, zu verkünden, der uns liebte bis zum Tod am Kreuz und uns in der weiten Umarmung der Auferstehung erwartet.

Die Königin des Heiligen Rosenkranzes, von deren Fürsprache wir Gnade für uns und die ganze Welt erhoffen, berührt die Herzen der Menschen, sodass sie wahre Jünger des Erlösers werden können.


Petersdom. 26. Oktober 2013